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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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blinzelte mit ihren blinden Augen in meine Richtung, doch als sie etwas geschnuppert und gemerkt hatte, daß ich nicht diejenige war, die sie erwartet zu haben schien, drehte sie ihren Kopf mit einem Seufzer zur Seite und fuhr fort, beharrlich ins Feuer zu starren. Dann verließ auch Jasper mich, legte sich neben seine Mutter und begann ihr das Fell zu lecken. Offenbar pflegten sie vormittags immer hierher zu kommen; sie wußten genau wie Frith, daß das Feuer in der Bibliothek erst am Nachmittag angezündet wurde, und suchten aus alter Gewohnheit das Morgenzimmer auf.
    Irgendwie kam ich auf den Gedanken, daß das Fenster – noch ehe ich darauf zuging – auf die Rhododendren hinaussah. Ja, da waren sie, blutrot und üppig, so wie ich sie am Abend zuvor zum erstenmal erblickt hatte; dichte, hohe Büsche, die sich unmittelbar unter dem Fenster zusammendrängten und sich bis zu der Anfahrt hinunter ausbreiteten. Zwischen den Büschen entdeckte ich eine kleine Lichtung, wie ein Miniaturrasen sah es aus, und mitten auf diesem moosweichen Grasteppich stand die winzige Statue eines nackten Fauns, der seine Flöte an die Lippen hielt. Die roten Rhododendren bildeten einen wirkungsvollen Hintergrund für ihn, und die Lichtung selbst glich einer kleinen Bühne, auf der er tanzen und seine Götterrolle spielen durfte.
    Dem Morgenzimmer haftete kein dumpfiger Geruch an wie der Bibliothek. Hier gab es keine alten, abgenutzten Stühle, keine Tische, auf denen Magazine und Zeitungen herumlagen.
    Dies war das Zimmer einer Frau, zierlich und elegant, das Zimmer eines Menschen, der jeden einzelnen Gegenstand der Einrichtung mit großer Sorgfalt ausgewählt hatte, damit jeder Stuhl, jede Vase, bis auf die kleinste Nippesfigur, harmonisch miteinander und mit der Persönlichkeit der Bewohnerin übereinstimmten. Es machte den Eindruck, als ob die Frau, die sich dieses Zimmer ein-richtete, erklärt hätte: «Das will ich haben und das da und das!»
    während sie sich unter den Schätzen von Manderley Stück für Stück jeden Gegenstand aussuchte, der ihr am besten gefiel, und dabei mit sicherem, untrüglichem Instinkt, indem sie alles Zweitklassige und Mittelmäßige einfach überging, nur die wertvollsten Dinge nahm.
    Hier gab es keine Uneinheitlichkeit im Stil; alles stammte aus der gleichen Epoche, und das Ergebnis war eine Vollkommenheit, die seltsam erregend wirkte. Und ich bemerkte, daß die Rhododendren sich nicht damit zufriedengegeben hatten, die Kulissen des kleinen Naturtheaters da draußen zu sein, sondern daß sie auch das ganze Zimmer füllten. Selbst die Wände hatten an Farbe durch sie gewonnen und leuchteten kräftig und lebhaft in der Morgen-sonne. Es waren die einzigen Blumen im Raum, und ich fragte mich, ob dieses Zimmer vielleicht ursprünglich im Hinblick auf diese Blumen eingerichtet worden war, denn nirgendwo sonst im Haus waren die Rhododendren eingedrungen. Im Eßzimmer und in der Bibliothek standen auch Blumen, aber schön geordnet und gleichmäßig geschnitten und mehr im Hintergrund, nicht so aufdringlich wie hier, nicht so im Überfluß. Ich ging ein paar Schritte und setzte mich an den Schreibtisch, und ich dachte, wie merkwürdig es doch war, daß dieses reizende, farbenprächtige Zimmer gleichzeitig so zweckdienlich und so nüchtern wirkte.
    Denn der Schreibtisch, so schön er auch war, war durchaus nicht das hübsche Spielzeug einer Dame, die daran, gelangweilt am Federhalter kauend, ihre kurzen Briefchen schrieb und sich dann achtlos erhob, gleichgültig, ob das Löschblatt ein wenig schief lag oder nicht. Die einzelnen Fächer trugen Schildchen wie: «Unbeantwortete Briefe», «Aufzubewahrende Briefe», «Haushalt», «Verwaltung», «Speisefolgen», «Verschiedenes» und «Adressen»; jedes in derselben kühnen, schrägen Handschrift beschrieben, die ich bereits kannte. Und es erschreckte mich, ja, entsetzte mich geradezu, ihr hier wieder zu begegnen, denn seitdem ich die Seite mit der Widmung in dem Gedicht-buch verbrannt hatte, war sie mir nicht mehr zu Gesicht gekommen, und ich hatte nicht gedacht, daß ich sie je wiedersehen sollte.
    Aufs Geratewohl öffnete ich eine Schublade, und wieder fiel mein Blick auf diese Schrift, und zwar in einem offenen Lederband, dessen Aufschrift «Gäste auf Manderley» mit einer Einteilung in Wochen und Monate sofort zu erkennen gab, welche Gäste dagewesen und wann sie abgereist waren, welche Zimmer sie bewohnt und was sie zu essen bekommen hatten. Ich blätterte

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