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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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Treppe zuging, und
    «Guten Morgen, Madam!» gab sie zurück und sah mich mit offenem Mund und
    aufgerissenen Augen neugierig an, wie ich dann die Treppe hinaufstieg.
    Ich nahm an, daß sie zu den Schlafzimmern führte und ich auf diesem Weg in den Ostflügel gelangen würde, wo ich mich bis zum Mittagessen noch etwas hinsetzen konnte.
    Doch mußte ich mich wohl verirrt haben, denn als ich durch die Türen am Kopf der Treppe trat, sah ich einen anderen Korridor vor mir, der zwar dem im Ostflügel sehr ähnlich, aber breiter und dunkler war, dunkler, weil die Wände hier mit einem Holzpaneel verkleidet waren.
    Ich zögerte unschlüssig, dann wandte ich mich nach links und gelangte auf einen breiten Treppenabsatz. Es war sehr still und dunkel dort. Kein Mensch war zu sehen. Falls die Stubenmädchen am Morgen überhaupt hier gewesen waren, dann mußten sie ihre Arbeit schon vor geraumer Zeit beendet haben und wieder nach unten gegangen sein. Ihre Anwesenheit hatte keine Spuren hinterlassen; ich konnte nichts von dem Staubgeruch wahrnehmen, der zurückbleibt, wenn ein Teppich erst kürzlich gebürstet worden ist; und als ich dastand und mir überlegte, in welcher Richtung ich weitergehen sollte, dachte ich, wie seltsam diese Stille doch war und daß sie etwas genauso Beklemmendes hatte wie ein leeres Haus, dessen Bewohner weggezogen sind.
    Ich öffnete aufs Geratewohl eine Tür und betrat ein Zimmer, das in völliger Dunkelheit lag.
    Auch nicht der geringste Lichtschein drang durch die geschlossenen Fensterläden, so daß ich in der Mitte des Raumes nur schwach die Umrisse von Möbeln wahrnehmen konnte, die in weißen Überzügen steckten. Es roch dumpfig und schal, der typische Geruch eines Zimmers, das nur selten oder gar nicht benutzt wird und dessen Einrichtungsgegenstände man auf ein Bett gelegt und zugedeckt hat. Leise machte ich die Tür wieder zu und tappte mich den Korridor entlang, auf dessen beiden Seiten sich mehrere geschlossene Türen befanden, bis ich an eine Nische in der Außenwand kam, deren breites Fenster endlich wieder etwas Licht her-einließ. Ich sah hinaus und erblickte unter mir die weichen Rasenflächen, die sich bis zum Meer hinunterzogen, und dahinter das Meer selbst, hellgrün, mit weißen Schaumkronen auf den Wellen, die vom Westwind gepeitscht wurden und unablässig von der Küste wieder zu-rückrollten.
    Es war näher, als ich gedacht hatte, viel näher, sicherlich begann der Strand schon unterhalb der kleinen Baumgruppe dort am Ende der Rasenflächen, keine fünf Minuten von hier entfernt, und als ich mein Ohr nun lauschend ans Fenster hielt, konnte ich das Brechen der Brandung gegen die Felsen irgendeiner kleinen Bucht hören, die von hier aus nicht zu sehen war. Da wußte ich plötzlich, daß ich einen Rundgang durch das Haus gemacht hatte und mich auf dem Korridor des Westflügels befand. Ja, Mrs. Danvers hatte recht. Von hier aus konnte man das Meer hören. Man konnte fast glauben, daß es im Winter die grünen Rasenflächen überschwemmen und das Haus selbst bedrohen würde, denn sogar jetzt war das Fenster der Nische beschlagen von einem salzigen Nebel, der vom Meer heraufdrang. Während ich hinausblickte, wurde die Sonne einen Augenblick lang von einer vorüberziehenden Wolke verdeckt, und sofort wechselte das Meer die Farbe und wurde schwarz, so daß die weißen Schaumkronen plötzlich erbarmungslos grausam aussahen. Und es war gar nicht mehr die heiter glitzernde See, die ich eben noch vor mir gesehen hatte.
    Irgendwie war ich froh darüber, daß ich die Zimmer im Ostflügel bewohnte. Alles in allem zog ich den Rosengarten dem Meeresrauschen vor. Ich ging langsam wieder zum
    Treppenabsatz zurück, und als ich gerade hinuntergehen wollte, hörte ich, wie eine Tür sich hinter mir öffnete, und heraus trat Mrs. Danvers. Wir starrten uns eine Sekunde lang wortlos an, und ich war mir nicht sicher, ob es Ärger war, was ich in ihren Augen las, oder Neugierde, denn sobald sie mich erblickt hatte, wurde ihr Gesicht wieder zur Maske. Obwohl sie nichts sagte, fühlte ich mich beschämt und schuldbewußt, als ob ich bei einer unrechten Handlung ertappt worden wäre, und ich spürte die verräterische Röte meine Wangen färben.
    «Ich habe mich verlaufen», sagte ich, «ich konnte mein Zimmer nicht mehr finden.»
    «Sie sind in den entgegengesetzten Teil des Hauses geraten», erwiderte sie, «dies ist der Westflügel.»
    «Ja, ich weiß», sagte ich.
    «Sind Sie in eines der Zimmer

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