Rebecca
er.
Noch einmal rief ich Jasper, aber er jagte hinter einer Feder her, die vom Wind herumgewirbelt wurde. Ich überlegte, ob ich vielleicht in dem Bootshaus ein Seil finden würde, und ging den Strand hinauf darauf zu. Früher mußte da ein Garten gewesen sein, aber jetzt hatte das hoch aufgeschossene, von Brennesseln durchwachsene Gras alles überwuchert.
Die Fenster waren mit Brettern zugenagelt. Sicherlich war auch die Tür versperrt, und ich schob den Riegel, ohne viel Hoffnung auf Erfolg, beiseite. Doch zu meiner Überraschung ließ sie sich nach anfänglichem Widerstand ganz leicht öffnen, und mit gebücktem Kopf, weil sie so niedrig war, ging ich hinein. Ich erwartete, die übliche Bootskammer vorzufinden, schmutzig und verstaubt, mit allem möglichen Gerümpel und Tauwerk und Holzklötzen und Rudern auf dem Fußboden. Staub gab es dort und stellenweise auch Schmutz, aber von Tauen und Blöcken war nichts zu sehen. Der Raum war vollständig möbliert und nahm die ganze Länge des Hauses ein. In der Ecke sah ich einen Schreibtisch, einen Eßtisch und Stühle und, an die Wand gerückt, eine Schlafcouch. Auch eine Anrichte stand dort mit Tassen und Tellern, und ein Bücherbord mit Büchern, und auf dem Bord standen ein paar Schiffsmodelle.
Einen Augenblick lang glaubte ich, das Haus müsse bewohnt sein – vielleicht von dem Schwachsinnigen –, als ich mich aber näher umsah, bemerkte ich kein Anzeichen dafür, daß dieser Raum kürzlich benutzt worden war. In diesem verrosteten Kamin hatte lange kein Feuer mehr gebrannt; der staubige Boden wies keine Fußspuren auf, und das Porzellan auf der Anrichte war von der Feuchtigkeit ganz fleckig geworden. Ein eigentümlich modriger Geruch hing in dem Raum. Mäuse oder Ratten hatten den Stoffbezug des Schlafsofas angeknabbert, das war an den vielen spitzen Löchern und der ausgefransten Kante deutlich zu sehen. Es war feucht in dem Haus, feucht und eisig-kalt; dunkel und bedrückend. Es gefiel mir gar nicht, und ich hätte nicht dort bleiben mögen. Das hohle Geräusch des Regens auf dem Dach war gräßlich.
Es schien im Raum selbst widerzuhallen, und ich hörte, wie das Wasser auch in den Kamin hinuntertropfte.
Ich sah mich nach irgendeinem Stück Schnur um, aber ich fand nichts, was ich für meine Zwecke hätte gebrauchen können. Am anderen Ende des Zimmers gab es noch eine zweite Tür, und ich ging darauf zu und öffnete sie, bereits etwas furchtsam, ein wenig verängstigt, denn ich hatte das sonderbare, unbehagliche Gefühl, daß ich etwas entdecken könnte, was ich gar nicht sehen wollte. Irgend etwas, das mir weh tun, das mich entsetzen würde.
Das war natürlich Unsinn, und der Raum, den ich jetzt betrat, war nur ein ganz gewöhnlicher Bootsschuppen. Da waren die Blöcke und die Seile, die ich zu finden erwartet hatte, zwei oder drei Segel, mehrere Fender, ein kleines Beiboot, Farbtöpfe, alle die Dinge, die man zum Gebrauch und zur Pflege eines Segelbootes benötigt. Auf einem der Borde lag eine Rolle Schnur neben einem verrosteten Taschenmesser. Damit konnte ich mich sehr gut für Jasper behelfen. Ich öffnete das Messer, schnitt mir ein Stück Schnur ab und ging dann wieder in das Zimmer zurück.
Der Regen fiel noch immer auf das Dach und in den Kamin. Schnell verließ ich das kleine Haus, ohne mich umzusehen, ohne einen Blick auf das angenagte Schlafsofa, das stockfleckige Porzellan und die mit Spinnweben überzogenen Schiffsmodelle zu werfen. Ich schloß die knarrende Tür hinter mir und eilte wieder zum hellen Strand hinunter.
Der Mann scharrte nicht mehr im Kies, sondern stand da und beobachtete mich, Jasper neben sich.
«Komm her, Jasper», sagte ich, «komm her, sei ein gutes Tier!» Ich bückte mich zu ihm nieder, und jetzt ließ er es zu, daß ich ihn anfaßte und ihn am Halsband nahm. «Ich habe im Bootshaus etwas Schnur gefunden», sagte ich zu dem Mann. Er antwortete nicht, und ich befestigte die Schnur locker an Jaspers Halsband.
«Guten Tag!» sagte ich und zog Jasper fort. Der Mann nickte und starrte mich mit seinen schmalen Idiotenaugen an. «Ich sah Sie dort hineingehen», sagte er.
«Ja», sagte ich, «das ist schon in Ordnung; Mr. de Winter wird bestimmt nichts dagegen haben.»
«Sie geht jetzt nicht mehr hinein», sagte er.
«Nein», sagte ich, «jetzt nicht mehr.»
«Sie ist ins Meer gegangen, nicht wahr?» sagte er. «Sie wird nie mehr zurückkommen?»
«Nein», sagte ich, «sie kommt nicht mehr zurück.»
«Ich habe nie
Weitere Kostenlose Bücher