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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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mir vor lauter Ratlosigkeit heiß wurde und ich mir überlegte, was nun geschehen und wohin die Unterhaltung uns führen würde. Es war natürlich unrecht von mir, krankhaft, ich benahm mich genau wie ein überempfindlicher, neurotischer Mensch, gar nicht wie die gesunde, glückliche junge Frau, die ich doch eigentlich war. Aber ich konnte es nicht ändern; ich wußte einfach nicht, was ich tun sollte.
    Meine Schüchternheit und mein linkisches Wesen wurden nur noch auffälliger und machten mich hilflos und stumm, wenn Gäste ins Haus kamen. Wir erhielten nämlich in jenen ersten Wochen mehrfach Besuch von Leuten aus der Nachbarschaft, und ihre Begrüßung und die Unterhaltung mit ihnen und dieses Sichhinziehen der üblichen halben Stunde wurden für mich zu einer schlimmeren Prüfung, als ich es anfangs vorausgesehen hatte, weil ich jetzt ständig befürchtete, daß sie über irgend etwas sprechen könnten, was tabu war. Diese Todesangst, die mich bei dem Geräusch von Rädern auf der Anfahrt, beim Läuten der Hausglocke befiel und mich in wilder Flucht nach oben in mein Schlafzimmer trieb! Das hastige Betupfen meiner Nase mit der Puderquaste, das eilige Kämmen der Haare und dann das unvermeidliche Klopfen an der Tür und das Überreichen der Visitenkarten auf dem Silbertablett.
    «Es ist gut, ich komme sofort hinunter.» Das Klappern meiner Absätze auf den
    Treppenstufen und den Fliesen der Halle, das Öffnen der Tür zur Bibliothek oder, schlimmer noch, zur kalten, leblosen Pracht des großen Salons, und die fremde Frau, die dort auf mich wartete, oder manchmal gar zwei Damen oder auch ein Ehepaar.
    «Wie reizend von Ihnen, daß Sie gekommen sind! Maxim ist leider irgendwo im Park, aber Frith ist schon unterwegs, um ihn zu holen.»
    «Wir dachten, daß wir doch der jungen Frau mal einen Besuch machen müßten.»
    Ein kleines Gelächter, ein kurzes, nichtssagendes Geplauder und dann eine Pause, ein Blick durch das Zimmer.
    «Manderley ist noch immer so bezaubernd wie zuvor; leben Sie nicht sehr gern hier?»
    «Oh, ja, sehr …» Und in meiner Schüchternheit und in dem Wunsch, zu gefallen, entschlüpften mir wieder jene Schulmädchenausdrücke, die ich sonst nie zu benutzen pflegte, außer in solchen Augenblicken, Worte wie: «Oh, fabelhaft» und «blendend» und «wirklich phantastisch» oder «unerhört schön»; und ich glaube, einmal begrüßte ich sogar eine würdige alte Herzogin, die mich durch ihr Lorgnon musterte, mit einem lauten «Hallo!» Meine Erleichterung bei Maxims Kommen wurde von der Angst gedämpft, daß unsere Gäste irgendeine indiskrete Äußerung tun könnten, und ich verstummte sogleich und lächelte nur gezwungen, die Hände im Schoß. Sie wandten sich dann an Maxim und unterhielten sich mit ihm über Menschen, die ich nicht kannte, und über Orte, die ich nie gesehen hatte. Und hin und wieder bemerkte ich, wie sie mich etwas unsicher ansahen, als ob sie nicht wüßten, was sie mit mir anfangen sollten.
    Bisweilen fing ich diese oder jene Bemerkung auf, die mich über die Vergangenheit aufklärte und meine geheime Kenntnis davon ergänzte. Hier ein zufälliges Wort, dort eine Frage, ein flüchtiger Satz. Und wenn Maxim nicht bei mir war, verursachte mir ihr Anhören eine Art schmerzliches Vergnügen wie eine Erfahrung, die man mit einem Gefühl von
    Schuldbewußtsein auf verstohlene Weise er-wirbt.
    Es kam vor, daß ich einen solchen Besuch erwiderte, denn Maxim war in diesen Dingen peinlich genau und er-sparte mir den Gegenbesuch nicht, und wenn er mich nicht begleiten konnte, mußte ich die Formalität allein über mich ergehen lassen; und dann pflegte in der Unterhaltung stets eine Pause einzutreten, in der ich verzweifelt nach einem Gesprächsstoff suchte. «Werden Sie auf Manderley ein sehr geselliges Leben führen, Mrs. de Winter?»
    wurde ich etwa gefragt, und meine Antwort lautete: «Ich weiß nicht, mein Mann hat bisher noch nichts davon gesagt.» –
    «Nein, natürlich nicht, es wäre ja wohl auch noch etwas verfrüht. In alten Zeiten war das Haus immer voll Menschen.» Und wieder eine Pause. «Gäste aus London, wissen Sie, damals wurden sehr große Gesellschaften auf Manderley gegeben.» – «Ja», sagte ich, «ja, das hörte ich.»
    Eine neuerliche Pause und darauf die gesenkte Stimme, mit der über Verstorbene und an Stätten der Andacht gesprochen zu werden pflegt: «Sie war ungeheuer beliebt, wissen Sie, und eine so faszinierende Persönlichkeit.» –
    «Ja», sagte ich

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