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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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daß das kleine Boot sich zitternd auf die Seite gelegt hatte, das weiße Segel flach über den brechenden Wogen?
    «Konnte ihr denn nicht jemand zu Hilfe kommen?» fragte ich.
    «Niemand hat sie kentern sehen; es wußte überhaupt niemand, daß sie mit dem Boot draußen war.»
    Ich vermied es sorglich, ihm einen Blick zuzuwerfen. Er hätte mir die Verwunderung zu deutlich vom Gesicht ablesen können. Ich hatte angenommen, das Unglück sei bei einer Segelregatta geschehen und es wären noch andere Boote auf dem Wasser gewesen und die Zuschauer am Ufer hätten alles mit angesehen. Daß sie allein gewesen war, ganz allein mit ihrem Boot draußen in der Bucht, das hatte ich nicht gewußt.
    «Aber im Haus muß man doch davon gewußt haben?» sagte ich.
    «Nein», sagte er. «Sie ging oft allein fort und segelte häufig nachts; und wenn sie dann zurückkam, übernachtete sie in dem Bootshaus.»
    «War sie denn gar nicht ängstlich?»
    «Ängstlich?» wiederholte er. «Nein, sie kannte überhaupt keine Furcht.»
    «Und war – war Maxim damit einverstanden, daß sie so allein fortging?»
    Er zögerte mit der Antwort, und dann sagte er kurz: «Ich weiß nicht.» Ich hatte den Eindruck, als wolle er um keinen Preis jemanden bloßstellen, ob nun Maxim oder Rebecca oder auch sich selbst, das war mir nicht klar. Er war schon ein sonderbarer Kauz. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen.
    «Sie muß also ertrunken sein, als sie ans Land zu schwimmen versuchte, nachdem das Boot gesunken war?» fragte ich weiter.
    «Ja», sagte er.
    Ich fühlte es beinahe, wie das kleine Boot schwankend auf den Wellen tanzte und das Wasser über die Ruderpinne stürzte und wie es sich unter der Last der nassen Segel und unter den unaufhörlichen Windstößen immer tiefer zur Seite neigte.
    «Wieviel später hat man ihre Leiche gefunden?» fragte ich.
    «Nach etwa zwei Monaten», sagte er.
    Zwei Monate! Und ich hatte gedacht, daß Ertrunkene spätestens innerhalb von zwei Tagen aufgefunden würden. Ich hatte immer geglaubt, sie würden mit der Flut an die Küste geschwemmt.
    «Wo fand man sie denn?» fragte ich.
    «In der Nähe von Edgecoombe, etwa vierzig Meilen kanalaufwärts», sagte er.
    «Woher wußte man denn, daß sie es war? Wie konnte man das nach zwei Monaten noch feststellen?» fragte ich.
    Ich überlegte mir, warum Frank vor jedem Satz eine kleine Pause machte, als ob er seine Worte sorgfältig abwägen müsse. Hatte er sie wirklich so gern gehabt, war ihm ihr Tod so nahegegangen?
    «Maxim fuhr nach Edgecoombe, um die Leiche zu identifizieren», antwortete er.
    Plötzlich wollte ich nichts mehr wissen. Ich fühlte mich von mir selbst abgestoßen und angewidert. Ich kam mir wie ein neugieriger Zuschauer vor, der sich bei einem Straßenunfall vordrängt.
    «Es war gewiß eine schreckliche Zeit für Sie alle», sagte ich hastig, «und Sie werden natürlich ungern daran erinnert. Es kam mir nur in den Sinn, ob man nicht irgend etwas tun könnte, um das Bootshaus vor dem Verfall zu retten, das war alles. Es ist doch wirklich schade, daß die Möbel durch die Feuchtigkeit verderben sollen.»
    Er erwiderte nichts, und ich fühlte mich heiß und unbehaglich. Er mußte es gespürt haben, daß es nicht die Sorge um das unbewohnte Bootshaus war, die mich zu all den Fragen veranlaßt hatte, und nun schwieg er, weil er so entsetzt über mich war. Unsere Freundschaft hatte für mich so etwas Tröstliches und Verläßliches gehabt. Ich hatte ihn immer als einen Verbündeten empfunden. Vielleicht hatte ich das alles nun zerstört.
    «Wie lange diese Anfahrt doch ist», sagte ich. «Sie erinnert mich immer an den Pfad in dem dunklen Wald in einem Märchen von Grimm, wo der Prinz sich verirrt – können Sie das verstehen? Die Anfahrt hier kommt mir jedesmal wieder länger vor, als ich es erwartet hatte, und die Bäume stehen so dicht und sehen so finster aus.»
    «Ja, sie ist ungewöhnlich lang», entgegnete er nur.
    Es war ihm deutlich anzumerken, daß er noch immer auf der Hut war, als müsse er sich auf weitere Fragen von mir gefaßt machen. Es herrschte eine peinliche Stimmung zwischen uns.
    Ich mußte irgend etwas tun, um dem ein Ende zu machen, selbst wenn ich mir dadurch eine Blöße gab.
    «Frank», sagte ich mit dem Mut der Verzweiflung, «ich weiß, was Sie denken. Sie können wahrscheinlich nicht begreifen, warum ich Ihnen all diese Fragen gestellt habe. Sie denken sicher, ich sei krankhaft und auf eine – auf eine ekelhafte Weise

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