Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
mit zur Wache gekommen wäre, dann weiß ich nicht, ob ich das geschafft hätte.«
Ihre Hand schoss vor und streichelte kurz Rebeckas Arm.
Rebecka sah, wie die Muskeln, die Curts Mund umgaben, erstarrten. Er schob seinen Stuhl zurück, um aufzustehen.
Gut so, Sanna, dachte Rebecka. Erzähl ihm ruhig, wie schlampig ich mich anziehe. Welche Hilfe ich dir war. Und fass mich an, damit ihm wirklich klar wird, wie nah wir einander stehen. Auf diese Weise zeigst du, was Sache ist, und die Einzige, auf die er böse ist, bin ich. Ich komme mir vor wie der Bauer, der auf einem Schachbrett vor die bedrohte Königin gestellt wird. Aber ich bin nicht dein verdammter Schutzschild. Der Bauer reicht seine Kündigung ein.
Sie legte rasch die Hand auf Curts Schulter.
»Bitte, bleib doch noch«, sagte sie. »Du kannst Sanna doch Gesellschaft leisten. Sie kann schon mal den Tisch decken, und dann frühstückt ihr zusammen. Ich muss zum Auto, Telefon und Computer holen. Ich setze mich nach unten, ich muss telefonieren und Mails verschicken.«
Sanna schaute mit schwer zu deutendem Blick hinter ihr her, als sie in die Diele hinausging, um in die Stiefel zu steigen. Sie waren nass, aber sie musste ja nur das kurze Stück zum Auto laufen. Sie konnte hören, wie Sanna und Curt am Küchentisch leise miteinander sprachen.
»Du siehst müde aus«, sagte Sanna.
»Ich habe die ganze Nacht in der Kirche gebetet«, sagte Curt.
»Wir haben eine Gebetskette eingerichtet, so dass ununterbrochen jemand dort ist. Du solltest mal hinfahren. Meld dich doch nur für eine halbe Stunde an. Thomas Söderberg hat nach dir gefragt.«
»Du hast ihm doch wohl nicht gesagt, wo ich bin?«
»Nein, natürlich nicht. Aber du solltest dich jetzt wirklich nicht vor der Gemeinde verstecken, sondern bei ihr Zuflucht suchen. Und du solltest nach Hause fahren.«
Sanna seufzte.
»Ich weiß einfach nicht mehr, auf wen ich mich verlassen kann. Und deshalb darfst du niemandem verraten, wo ich bin.«
»Natürlich nicht. Und wenn du dich überhaupt auf jemanden verlassen kannst, Sanna, dann auf mich.«
Rebecka stellte sich so in die Türöffnung, dass sie sehen konnte, wie Curts Hände über den Tisch hinweg nach Sannas suchten.
»Meine Schlüssel«, sagte Rebecka. »Autoschlüssel und Hausschlüssel sind verschwunden. Ich hab sie sicher im Schnee verloren, als ich mit Tjapp gespielt habe.«
REBECKA, SANNA UND CURT suchten mit Taschenlampen im Schnee nach den Schlüsseln. Es war noch immer nicht hell geworden, und die Lichtkegel wanderten über den Hof, die Schneewehen und die im tiefen Schnee hinterlassenen Spuren.
»Das ist doch hoffnungslos«, seufzte Sanna und wühlte planlos im Schnee herum. »Die können ja ganz tief versunken sein, wo der Schnee noch nicht fest ist.«
Tjapp sprang neben Sanna und wühlte wie besessen. Sie fand einen Zweig und stürzte damit davon.
»Und auf die ist ja auch kein Verlass«, sagte Sanna und schaute hinter Tjapp her, die schon nach wenigen Metern von der Dunkelheit verschluckt wurde. »Sie kann sie ins Maul genommen und wieder fallengelassen haben, als sie etwas anderes interessiert hat.«
»Dann kannst du ja mit Curt und dem Hund wieder ins Haus gehen«, sagte Rebecka und versuchte, ihre Gereiztheit zu verbergen. »Vielleicht sind die Mädchen jetzt wach. Ich weiß ohnehin kaum noch, welche Spuren von mir stammen und welche von euch.«
Ihre Füße waren eiskalt und feucht.
»Nein, ich will nicht ins Haus«, quengelte Sanna. »Ich will dir beim Schlüsselsuchen helfen. Wir finden sie bestimmt. Irgendwo müssen sie doch sein.«
Curt schien als Einziger guter Laune zu sein. Die Dunkelheit schien ihm ein wenig von seiner Schüchternheit zu nehmen. Und die Bewegung an der frischen Luft machte ihn wach.
»Das war heute Nacht einfach unglaublich«, erzählte er Sanna glücklich. »Gott hat mich die ganze Zeit an Seine Macht erinnert. Ich war total von Ihm erfüllt. Du musst unbedingt in die Kirche fahren, Sanna. Beim Beten habe ich gespürt, wie Seine Kraft über mich dahinströmte. Und das Reden in Zungen floss einfach aus mir heraus. Schacka barai. Und ich habe vom Geist erfüllt getanzt. Ab und zu habe ich mich hingesetzt und die Bibel an der Stelle aufgeschlagen, die Gott mir zeigen wollte. Und es waren nur Verheißungen über die Zukunft. Peng, peng, peng. Er hat mich mit Versprechen geradezu durchlöchert.«
»Ihr könnt ja dafür beten, dass ich die Schlüssel finde«, murmelte Rebecka.
»Er schien mit
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