Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
lange Unterhose, die sicher Onkel Affe gehörte.
»Elegant«, kommentierte Sanna kichernd, »wunderbar, dass du dich sofort an die klassische Mode hier oben anpasst.«
»Ein echter Hängehintern aus Gällivare hat noch niemanden entstellt«, sagte Rebecka und schwenkte den Hintern, so dass die sackende Hose nur so schlackerte.
»Herrgott, du bist ja vielleicht mager«, rief Sanna.
Rebecka zog sofort den Hintern ein und nahm sich schweigend und mit dem Rücken zu Sanna Kaffee.
»Und du siehst total ausgetrocknet aus«, sagte Sanna jetzt, »du müsstest mehr essen und trinken.«
Ihre Stimme klang sanft und sorglos.
»Ja, ja«, seufzte sie, als Rebecka schwieg, »wir anderen können uns ja nur freuen, dass die meisten Typen Hintern und Brüste zu schätzen wissen. Obwohl ich es natürlich toll finde, so flach zu sein.«
Da kann ich mich ja wirklich glücklich schätzen, dachte Rebecka sarkastisch. Dass immerhin du mich toll findest.
Ihr Schweigen machte Sanna redselig und unsicher.
»Was rede ich denn hier«, sagte sie. »Ich bin wirklich die totale Glucke. Als Nächstes frag ich dich noch, ob du auch genug Vitamine isst.«
»Kann ich die Morgennachrichten einschalten?«, fragte Rebecka.
Ohne auf Antwort zu warten, ging sie zu dem kleinen Fernseher und schaltete ihn ein. Das Bild war entsetzlich. Vermutlich lag Schnee auf der Antenne.
Auf einen Bericht über einen verspäteten EU-Beitrag folgte ein Beitrag über den Mord an Viktor Strandgård. Die Reporterstimme berichtete, dass die Jagd auf den Mörder mit der üblichen Ermittlungsarbeit fortgesetzt werde, und dass die Polizei bisher noch keine Verdächtigen habe. Ein Bild folgte auf das andere. Polizei und Hunde, die die Umgebung der Kristallkirche nach der Mordwaffe durchkämmten. Der stellvertretende Oberstaatsanwalt Carl von Post, der sich über Befragungen in der Nachbarschaft und Vernehmungen von Gemeindeangehörigen und Gottesdienstbesuchern verbreitete. Danach wurde Rebeckas roter Mietwagen gezeigt.
»O nein«, rief Sanna und knallte ihre Kaffeetasse auf den Tisch.
»Auch Viktor Strandgårds Schwester, die den Toten am Tatort gefunden hat, erschien gestern Abend unter ziemlich dramatischen Umständen zur Vernehmung auf der Wache.«
Der ganze Zwischenfall wurde vorgeführt, doch in der Version der Morgennachrichten fehlte fast jeglicher Ton, abgesehen von Rebeckas dumpfem »weg da«. Dass die Reporterin die Anwältin wegen Körperverletzung angezeigt hatte, wurde noch erwähnt, dann unterhielten sich Moderator und Meteorologe kurz über den Wetterbericht, der nach der Pause gesendet werden sollte.
»Aber das zeigt doch genau, wie gemein und aufdringlich diese Reporterin war«, sagte Sanna überrascht.
Rebecka spürte einen brennenden Schmerz im Zwerchfell.
»Was ist los?«, fragte Sanna.
Was soll ich antworten, überlegte Rebecka und ließ sich am Küchentisch auf einen Stuhl sinken. Dass ich fürchte, meinen Job bereits verloren zu haben. Dass sie mich rausekeln werden, bis ich von selber kündige. Jetzt hat sie ihren Bruder verloren. Ich müsste mich genauer nach Viktor erkundigen. Sie fragen, ob sie darüber sprechen möchte. Nur will ich nicht noch einmal in ihr Leben hineingezogen werden und ihre Lasten auf meine Schultern laden müssen. Ich will nach Hause. Ich will am Computer sitzen und eine Eingabe darüber schreiben, dass in einem gewissen Fall die Rentenzahlungen von der Einkommenssteuer abgezogen werden müssen.
»Was glaubst du, was wirklich passiert ist, Sanna?«, fragte sie.
»Mit Viktor, meine ich. Du hast gesagt, er sei auf entsetzliche Weise verstümmelt gewesen. Aber wer kann das getan haben?«
Sanna wand sich vor Unbehagen.
»Ich weiß nicht. Das habe ich doch schon der Polizei gesagt. Ich weiß wirklich nichts.«
»Hattest du keine Angst, als du ihn gefunden hast?«
»Darüber habe ich gar nicht nachgedacht.«
»Was hast du dann gemacht?«
»Ich weiß nicht«, sagte Sanna und hob die Hände an den Kopf, wie um sich selbst zu trösten. »Ich glaube, ich habe geschrien, aber auch da bin ich mir nicht sicher.«
»Du hast der Polizei gesagt, Viktor habe dich geweckt und deshalb seist du hingegangen.«
Sanna hob den Blick und schaute Rebecka in die Augen.
»Findest du das denn wirklich so seltsam? Glaubst du wirklich, alles sei zu Ende, bloß, weil die Körperfunktionen aufgehört haben? Er stand vor meinem Bett, Rebecka. Er sah unendlich traurig aus. Und ich habe ja gesagt, dass er es nicht in physischer Gestalt
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