Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
war, wenn man das so nennen kann. Deshalb wusste ich, dass etwas passiert war.«
Nein, ich finde das nicht so seltsam, dachte Rebecka. Sie hat immer schon mehr gesehen als wir anderen. Eine Viertelstunde, ehe irgendwer unerwartet zu Besuch kam, setzte Sanna schon Kaffeewasser auf. »Jetzt kommt Viktor«, sagte sie dann.
»Aber trotzdem …«, begann Rebecka.
»Bitte«, bat Sanna. »Ich will einfach nicht darüber reden. Ich traue mich nicht. Noch nicht. Ich muss doch durchhalten. Wegen der Mädchen. Danke, dass du gekommen bist. Obwohl du jetzt Karriere machst. Du glaubst vielleicht, dass wir den Kontakt zueinander verloren hatten, aber ich denke sehr oft an dich. Allein das Wissen, dass du dort unten bist, gibt mir Kraft.«
Jetzt war Rebecka diejenige, die sich vor Unbehagen wand.
Hör auf, dachte sie. Wir sind keine Freundinnen mehr. Früher war ihre Meinung über mich mir so unendlich wichtig. Ich wollte in ihrem Leben eine Rolle spielen. Aber jetzt. Jetzt habe ich das Gefühl, dass sie mich in ihre Fäden einspinnt.
Tjapp hörte das Geräusch des Schneemobils als Erste und unterbrach ihr Gespräch durch wildes Gebell. Sie spitzte die Ohren und schaute zum Fenster hinüber.
»Kommt da jemand?«, fragte Rebecka. Sie wusste nicht so recht, woher das Geräusch stammte, aber sie hatte den Eindruck, dass irgendwo ein Stück vom Haus entfernt ein Schneemobil im Leerlauf lief. Sanna drückte die Stirn gegen die Fensterscheibe und wölbte die Hände neben ihren Augen, um mehr sehen zu können als nur ihr eigenes Spiegelbild.
»O nein«, rief sie mit gequältem Lachen. »Das ist Curt Bäckström. Der hat uns hergefahren. Ich glaube, er ist ein wenig verliebt in mich. Aber er ist wirklich nett. Hat ein bisschen Ähnlichkeit mit Elvis. Der wäre vielleicht was für dich, Rebecka.«
»Hör doch auf«, sagte Rebecka genervt.
»Was denn? Was hab ich denn gemacht?«
»Dasselbe wie immer, seit ich dich kenne. Du lockst jede Menge Trottel an, und dann findest du, die wären allesamt was für mich. Danke, also wirklich, nein danke.«
»Verzeihung«, sagte Sanna beleidigt. »Es tut mir wirklich Leid, wenn meine Bekannten und Freunde nicht gut genug für dich sind. Aber wieso nennst du ihn einen Trottel? Du kennst ihn doch gar nicht!«
Rebecka ging zum Fenster und schaute auf den Hofplatz hinaus.
»Er sitzt auf seinem Schneemobil, und eigentlich ist es noch mitten in der Nacht, und er bewacht das Haus, in dem du dich aufhältst, ohne sich hochzutrauen«, sagte sie. »I rest my case.«
»Und es ist wirklich nicht meine Schuld, wenn irgendein Typ sich in mich vergafft«, sagte Sanna jetzt. »Oder hältst du mich vielleicht für eine Nutte, so wie Thomas?«
»Nein, aber hör auf, mein Aussehen zu kommentieren oder mir deine abgelegten Verehrer anzubieten.«
Rebecka riss ihre Reisetasche an sich und stürzte zur Toilette. Sie knallte die Tür zu, so dass das rote Holzherzchen mit der Aufschrift »Hirsch heiß ich« hin und her wackelte.
»Hol ihn rauf«, rief sie zur Küche hinüber. »Er kann doch nicht wie ein verlassener Hund da draußen in der Kälte hocken.«
Herrgott, dachte sie, während sie die Toilettentür abschloss. Sannas verrückte Verehrer. Sannas lässiger Kleidungsstil. Das sind alles nicht mehr meine Sorgen. Aber Thomas Söderberg hat sich darüber geärgert. Und damals, als Sanna und ich zusammenwohnten, war ich auf eine seltsame Weise für alles verantwortlich.
» Ich wünschte, du wärst bereit, mit Sanna über ihre Kleidung zu reden « , sagt Thomas Söderberg zu Rebecka.
Er ist unzufrieden mit ihr. Sie spürt das in jeder Pore. Und sie hat das Gefühl, zu Boden gepresst zu werden. Wenn er lacht, tut sich der Himmel auf, und sie nimmt Gottes Liebe wahr, obwohl sie Seine Stimme nicht hören kann. Aber wenn Thomas diesen enttäuschten Blick hat, scheint alles in ihr zu erlöschen. Sie wird einfach zu einem verlassenen Raum.
» Ich habe es versucht « , führt sie zu ihrer Verteidigung an.
» Ich habe ihr gesagt, dass sie sich überlegen muss, wie sie aussieht. Dass sie nicht so weit ausgeschnittene Blusen tragen darf. Und dass sie BH und längere Röcke anziehen sollte. Und sie sieht das ja auch ein, aber … ja, sie scheint morgens einfach nicht zu sehen, was sie anzieht. Wenn ich nicht dabei bin und aufpasse, dann scheint sie das alles zu vergessen. Danach treffe ich sie dann in der Stadt, und sie sieht aus wie … «
Sie zögert und will das Wort » Nutte « nicht verwenden. Thomas darf
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