Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
nicht denken, dass sie solche Wörter in den Mund nimmt.
» … und sie sieht aus wie ich weiß nicht was « , sagt sie deshalb.
» Ich frage sie, was sie da anhat, und dann scheint sie aus allen Wolken zu fallen. Sie macht das wirklich nicht bewusst. «
» Mir ist das doch egal, ob sie das bewusst macht « , sagt Thomas Söderberg mit harter Stimme. » Solange sie sich nicht anständig anzieht, kann ich ihr keine führende Rolle in der Gemeinde geben. Wie soll ich denn zulassen, dass sie Zeugnis ablegt oder im Chor singt oder die Gebete leitet, wenn ich weiß, dass neunzig Prozent aller Männer nur noch ihre Brustwarzen anstarren, die sich unter ihrem Hemd abzeichnen, und nur daran denken, wie gern sie ihr die Hand zwischen die Beine schieben würden. «
Er verstummt und schaut aus dem Fenster. Sie sitzen im Gebetsraum hinter dem Saal der Missionskirche. Das scharfe Licht der Spätwintersonne fällt durch die schmalen hohen Fenster. Die Kirche liegt in einem von Ralph Erskine entworfenen Wohnhaus. Die Einheimischen nennen dieses braune Betongebäude die » Schnupftabaksdose « . Weshalb die Kirche logischerweise als » Prise Gottes « bezeichnet wird. Rebecka hat der Kirchensaal früher besser gefallen. Er war streng und spartanisch. Wie ein Kloster, mit seinen harten Holzbänken. Aber Thomas Söderberg hat die Kanzel abmontieren und durch ein verrückbares hölzernes Rednerpult ersetzen lassen. Zugleich hat er ganz vorn Holzboden legen lassen. Damit der Anblick nicht so deprimierend wirkt. Jetzt sieht die Missionskirche aus wie jede andere freikirchliche Gebetsstätte.
Thomas lässt seinen Blick zur Decke hochwandern und entdeckt dort eine große feuchte Stelle. Die taucht im Spätwinter immer auf, wenn der Schnee auf dem Dach schmilzt.
Seine Art, zu verstummen und ihrem Blick auszuweichen, sagt Rebecka genug. Thomas Söderberg ist wütend auf Sanna, weil sie auch ihn in Versuchung führt. Er gehört selbst zu den Männern, die die Hand in ihre Unterhose schieben möchten und …
Die Wut breitet sich in ihrer Brust aus wie eine brennende Rose.
Verdammte Sanna, flucht sie in Gedanken. Du miese kleine Kuh!
Sie weiß, dass ein Pastor es nicht leicht hat. Thomas wird auf vielerlei Weise in Versuchung geführt. Der Feind wünscht sich so dringend, ihn zu Fall zu bringen. Und Sex ist Thomas’ schwacher Punkt. Das hat er in der Bibelgruppe offen zugegeben.
Ihr fällt ein, wie er einen Besuch geschildert hat, den zwei Engel ihm abgestattet haben. Widerwillig hatte er sich von einem angezogen gefühlt. Und der weibliche Engel hatte es gewusst.
» Das wäre das Schlimmste, was passieren könnte « , hatte der Engel gesagt. » Ich würde zu meinem eigenen Gegenteil werden. So dunkel, wie ich jetzt licht bin. «
Sanna klopfte zaghaft an die Toilettentür.
»Rebecka«, sagte sie. »Ich gehe runter und bitte Curt ins Haus. Du willst da drinnen doch nicht Wurzeln schlagen, oder? Ich möchte lieber nicht mit ihm allein sein, und die Mädchen schlafen ja noch …«
Als Rebecka die Toilette verließ, saß Curt Bäckström bereits am Tisch. Er hielt beim Trinken den Kaffeebecher mit beiden Händen fest. Vorsichtig hob er ihn vom Tisch hoch und senkte dabei den Kopf, um ihn nicht zu hoch heben zu müssen. Er hatte seine Stiefel anbehalten und nur das Oberteil seines Overalls abgestreift, das jetzt um seine Taille baumelte. Er schielte zu Rebecka hinüber und begrüßte sie, ohne ihren Blick zu erwidern.
Wieso soll der Ähnlichkeit mit Elvis haben?, überlegte Rebecka. Weil er zwei Augen und mitten im Gesicht eine Nase hat? Bestimmt meint Sanna die Haare. Und seine traurige Miene.
Curt hatte wellige schwarze Haare. Seine dicke Fellmütze hatte sie an seine Stirn geklebt. Seine Augenlider hingen schlaff nach unten.
»Wow«, rief Sanna und musterte Rebecka von Kopf bis Fuß.
»Du siehst ja elegant aus. Komisch, das sind doch bloß Jeans und ein Pullover, und man könnte meinen, du hättest einfach blind in deinen Kleiderschrank gegriffen. Aber trotzdem sieht man, dass es richtig teure Sachen sind. – Verzeihung«, bat sie dann und verdeckte ihr verlegenes Lächeln mit der Hand. »Ich darf ja dein Aussehen nicht kommentieren.«
»Ja, ich wollte nur mal nach dir sehen«, sagte Curt zu Sanna.
Er schob seinen Becher ein Stück weg, wie um klarzustellen, dass er nicht lange bleiben werde.
»Mir geht’s gut«, sagte Sanna. »Oder, was heißt schon gut? Aber Rebecka war mir eine gewaltige Hilfe. Wenn sie nicht
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