Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
eine Liste mit den Namen seiner Bekannten zu machen«, sagte Sven-Erik. »Wir würden gern mit ihnen sprechen.«
»Das wird eine sehr lange Liste«, sagte Olof Strandgård. »Ganz Schweden hat ihn doch gekannt. Und nicht nur ganz Schweden.«
»Ich meine die, die ihn persönlich gekannt haben«, erklärte Sven-Erik geduldig. »Wir schicken heute Abend jemanden, um die Liste zu holen. Wann haben Sie Ihren Sohn zuletzt gesehen?«
»Am Sonntagabend nach dem Lobsingen in der Kirche.«
»Sonntagabend, kurz vor dem Mord also. Haben Sie mit ihm gesprochen?«
Olof Strandgård schüttelte bedauernd den Kopf.
»Nein, er hatte mit der Fürbittengruppe alle Hände voll zu tun.«
»Wann hatten Sie zuletzt Zeit, miteinander zu sprechen?«
»Am Freitagnachmittag, zwei Tage, ehe …«
Der Vater unterbrach sich und sah seine Frau an.
»… du hattest doch Essen für ihn gemacht, Kristina, war das nicht am Freitag?«
»Ja, sicher«, antwortete sie. »Danach begann die Wunderkonferenz. Und ich weiß, dass er das Essen vergisst und andere ihm immer wichtiger sind als er selbst. Deshalb sind wir zu ihm gefahren und haben seine Tiefkühltruhe gefüllt. Er hielt mich für eine richtige Glucke.«
»Hatten Sie das Gefühl, dass er sich wegen irgendetwas Sorgen machte?«, fragte Sven-Erik. »Hat ihn etwas beunruhigt?«
»Nein«, antwortete Olof.
»Offenbar hatte er bei seinem Tod schon länger nichts mehr gegessen«, sagte Anna-Maria. »Wissen Sie, woran das gelegen haben kann? Kann er es einfach vergessen haben?«
»Ich nehme an, dass er gefastet hat«, sagte der Vater.
Jetzt muss ich gleich nach der Toilette fragen, dachte Anna-Maria.
»Gefastet?«, fragte sie und kniff die Beine zusammen. »Wieso das?«
»Tja«, antwortete Olof Strandgård. »In der Bibel steht, dass Jesus vierzig Tage in der Wüste fastete und dann vom Teufel versucht wurde, ehe er in Galiläa predigte und die ersten Jünger erwählte. Und dort steht, dass die Apostel fasteten und beteten, als sie die Ältesten Brüder für die ersten Gemeinden ernannten und sie Gott überantworteten. Im Alten Testament haben Moses und Elias gefastet, ehe ihnen die göttlichen Offenbarungen zuteil wurden. Vermutlich hatte Viktor das Gefühl, während der Wunderkonferenz eine wichtige Aufgabe erfüllen zu müssen, und wollte sich deshalb vorher durch Fasten und Beten darauf konzentrieren.«
»Was ist diese Wunderkonferenz?«, fragte Sven-Erik.
»Sie fängt am Freitagabend an und endet am Sonntagabend. Seminare tagsüber und Andachten am Abend. Es geht eben um Wunder. Um Heilungen, Mirakel, Gebetserhörung, allerlei Gnadengaben. – Warten Sie einen Moment!«
Olof Strandgård erhob sich und verschwand in der Diele. Nach einer Weile kehrte er mit einem Hochglanzprospekt zurück. Er reichte ihn Sven-Erik. Dieser beugte sich zu Anna-Maria hinüber, damit sie mitlesen konnte.
Es war eine Einladung, in zusammengefaltetem A 4 -Format. Auf den mit Weichzeichner fotografierten Bildern waren fröhliche Menschen mit erhobenen Händen zu sehen. Auf einem Bild hob eine lachende Frau ein kleines Kind hoch. Auf einem anderen betete Viktor Strandgård mit einem Mann, der mit gen Himmel erhobenen Händen vor ihm kniete. Viktor legte dem Mann Zeige- und Mittelfinger an die Stirn und hatte die Augen geschlossen. Im Text stand, die Seminare würden unter anderem Themen wie »Du hast die Kraft, Erhörung zu erlangen«, »Gott hat deine Krankheit bereits besiegt« und »Setze deine geistigen Gnadengaben frei« behandeln. Ansonsten war die Rede von Abendandachten, bei denen im Geist getanzt, gesungen und gelacht werden konnte und in denen Gottes Wunder im eigenen und im Leben anderer Menschen sichtbar werden sollten. Das alles zu einem Preis von viertausendzweihundert Kronen zuzüglich Kost und Logis.
»Wie viele Teilnehmer hat denn diese Konferenz?«, fragte Sven-Erik.
»Das kann ich Ihnen nicht so genau sagen«, antwortete Olof und ließ einen gewissen Stolz durchblicken. »Ich tippe so auf ungefähr zweitausend.«
Anna-Maria sah Sven-Erik an, dass er berechnete, was die Konferenz der Gemeinde rein finanziell eingebracht hatte.
»Wir brauchen eine Teilnehmerliste«, sagte Anna-Maria.
»An wen sollten wir uns da wenden?«
Olof Strandgård nannte einen Namen, den sie in ihren Notizblock schrieb. Sven-Erik musste diese Liste durch das polizeiliche Register laufen lassen.
»Wie sah denn die Beziehung zu Sanna aus?«, fragte Anna-Maria.
»Verzeihung?«, fragte Olof Strandgård.
»Ja,
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