Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht
Stadt, und Teddy ist allein zu Hause.«
Nie im Leben, denkt Rebecka. Es muss ja wohl Grenzen geben.
»Bestell ihm einen schönen Gruß von mir«, sagt sie.
Draußen im Auto ruft sie Måns an.
»Es ist vollbracht«, sagt sie.
Måns Wenngren gibt ihr die gleiche Antwort wie früher seiner Frau. Das rutscht ihm im Affekt einfach so heraus.
»Mein braves Mädchen!«
Dann fügt er eilig hinzu: »Gut so, Martinsson. Jetzt hab ich einen Termin. Bis dann.«
Rebecka bleibt mit dem Telefon in der Hand sitzen.
Måns Wenngren, denkt sie. Er ist wie das Gebirge. Es regnet und ist schrecklich. Der Wind tobt. Man ist müde, und die Schuhe sind durchnässt, und man weiß nicht so genau, wo man ist. Die Karte stimmt einfach nicht mit der Wirklichkeit überein. Und dann treiben plötzlich die Wolken auseinander. Die Kleidung trocknet im Wind. Man sitzt an einem Berghang und schaut auf ein sonniges Tal hinunter. Und plötzlich war alles der Mühe wert.
Sie versucht, Maria Taube anzurufen, kann sie aber nicht erreichen. Sie schickt eine SMS : »Alles o.k. Ruf an.«
Sie fährt über die Landstraße. Stellt das Autoradio auf irgendeinen Laberkanal.
Bei der Abzweigung zur Kapelle sieht sie Teddy. Sofort durchfährt sie ein bohrendes Gefühl von Schuld und Sehnsucht. Sie hebt die Hand zu einem Gruß. Im Rückspiegel sieht sie, wie er hinter ihr herwinkt. Eifrig winkt. Dann läuft er hinter ihrem Auto her. Er kann es nicht einholen, gibt aber nicht auf. Plötzlich sieht sie, dass er fällt. Es sieht nach einem üblen Sturz aus. Er verschwindet im Straßengraben.
Rebecka hält am Straßenrand. Schaut in den Rückspiegel. Er kommt nicht wieder zum Vorschein. Jetzt kommt Bewegung in sie. Sie springt aus dem Auto und rennt zurück.
»Teddy«, ruft sie. »Teddy!«
Wenn er nun mit dem Kopf auf einen Stein geknallt ist!
Er liegt im Straßengraben und strahlt sie an. Wie ein auf den Rücken gefallener Käfer.
»Becka!«, sagt er, als sie über ihm auftaucht.
Natürlich muss ich mich von ihm verabschieden, denkt sie. Was bin ich eigentlich für ein Mensch?
Er rappelt sich auf. Sie wischt ihm Dreck und Blätter ab.
»Hallo, Teddy«, sagt sie dann. »Wie schön, dass wir…«
»Komm mit«, fällt er ihr ins Wort und reißt an ihrem Arm wie ein Kind. »Komm mit.«
Dann machte er auf dem Absatz kehrt und trottet die Straße entlang. Er will nach Hause.
»Nein, also, ich…«, fängt sie an.
Aber Teddy geht weiter. Schaut sich nicht um. Verlässt sich darauf, dass sie ihm folgt.
Rebecka schaut ihr Auto an. Das steht ordentlich am Straßenrand. Versperrt niemandem die Sicht. Ein paar Minuten kann sie doch mitkommen. Sie läuft hinter ihm her.
»Warte auf mich!«, ruft sie.
LISA HÄLT VOR DER TIERKLINIK. Die Hunde wissen genau, wo sie sind. Das hier ist kein angenehmer Aufenthaltsort. Sie springen alle auf und schauen aus dem Autofenster. Reißen das Maul auf und hecheln. Die Zungen hängen weit heraus. Der Preuße verliert Schuppen. Das passiert immer, wenn er nervös ist. Weiße Flocken durchdringen sein Fell und legen sich wie Schnee über seine braunen Haare. Die Schwänze aller Hunde kleben unter ihren Bäuchen.
Lisa geht hinein. Die Hunde dürfen im Auto bleiben.
Müssen wir nicht mitkommen?, fragen ihre Blicke. Bleiben uns Spritzen, Untersuchungen, beängstigende Gerüche und erniedrigende weiße Plastikkragen erspart?
Anette, die Tierärztin, steht schon bereit. Lisa bezahlt. Anette wird es selbst machen. Sie sind allein. Kein weiteres Personal. Niemand im Wartezimmer. Lisa ist gerührt von so viel Rücksichtnahme.
Das Einzige, was Anette fragt, ist: »Willst du sie mitnehmen?«
Lisa schüttelt den Kopf. So weit hat sie noch gar nicht gedacht. Ihre Gedanken haben sich ja kaum bis zu diesem Moment vorgewagt. Und jetzt ist sie hier. Sie werden Abfall werden. Sie weicht dem Gedanken aus, wie würdelos das ist. Dass sie ihnen mehr schuldet.
»Wie sollen wir es machen?«, fragt Lisa. »Soll ich einen nach dem anderen reinholen?«
Anette sieht sie an.
»Das wäre zu hart für dich, glaube ich. Wir holen sie alle zusammen rein, dann bekommen sie zuerst etwas Beruhigendes.«
Lisa taumelt nach draußen.
»Halt«, warnt sie, als sie die Heckklappe öffnet.
Sie nimmt die Hunde an die Leine. Will nicht riskieren, dass einer wegläuft.
Die Hunde umspringen ihre Beine, als sie in die Tierklinik zurückgeht. Durch das Wartezimmer, vorbei an Büro und Behandlungsraum.
Anette öffnet die Tür zum Operationszimmer.
Ihr
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