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Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Titel: Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Larsson
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und springt auf, so dass die Kaffeetassen auf dem Tisch klirren. »Die Hälfte von allem gehört ihr. Zehntausend. Soll das Esters rechtmäßiges Erbe sein?«
    Der Vater antwortet mit Schweigen.
    Die Tante stürzt in die Küche und dreht die Wasserhähne weit auf, um den Abwasch zu erledigen, und Ester und Vater und Antte hören durch Klirren und Rauschen, dass sie laut weint.
    Ester sieht Antte an, er ist kreideweiß im Gesicht, blau im Licht des Fernsehers. Sie versucht, es nicht zu tun. Sie will nichts wissen. Aber sie schwebt im Licht des Fernsehers zur Decke hoch, wie durch blaues Wasser. Und von dort oben blickt sie auf Antte und den Vater hinunter. Derselbe Fernseher, aber ein anderes Zimmer. Andere Möbel.
    Es ist eine kleine Wohnung. Sie hängen auf einem Sofa und starren dösig in den Fernseher. Antte ist einige Jahre älter, und er ist ziemlich dick geworden. Der Vater hat einen verbitterten Zug um den Mund. Ester sieht, dass der Vater gehofft hatte, eine neue Frau kennenzulernen. Dass er geglaubt hatte, in der Hüttenstadt bei Narvik größere Chancen zu haben.
    Keine Frau, denkt Ester. Und auch keine Hüttenstadt.
    Als Ester landet, steht sie in der Küche. Die Tante weint nicht mehr und raucht unter dem Ventilator. Sie redet darüber, was aus Ester werden soll und dass sie so wütend auf den Vater ist. Und dann redet sie über ihren neuen Liebhaber.
    »Jan-Åke hat mich nach Spanien eingeladen. Er spielt im Winter Golf. Ich kann ihn fragen, ob du bis zum Semesteranfang mitkommen kannst. Die Wohnung ist ja nicht groß, aber wir schaffen das schon irgendwie.«
    »Das ist nicht nötig«, sagt Ester.
    Die Tante ist erleichtert. Vermutlich ist die Liebe zwischen ihr und Jan-Åke keine von der Sorte, die einen Teenager im Haus ertragen kann.
    »Bist du sicher? Ich kann ihn fragen.«
    Ester beteuert, dass sie sicher ist. Und die Tante macht noch eine Weile weiter, so dass Ester lügen und behaupten muss, Freunde in Stockholm zu haben, Kurskameraden, die sie besuchen kann.
    Dann ist die Tante endlich zufrieden.
    »Ich rufe an«, sagt sie.
    Sie bläst Rauch aus sich heraus und starrt in die winterliche Dunkelheit.
    »Wir sind zum letzten Mal in diesem Haus«, sagt sie. »Das ist schwer zu begreifen. Hast du im Atelier nachgesehen, was du haben willst?«
    Ester schüttelt den Kopf. Am nächsten Tag packt die Tante Esters Koffer voll mit Farbtuben und Pinseln und Papier. Sogar mit Ton, der doch so ungeheuer schwer ist.
    Ester und die Tante nehmen im Stockholmer Hauptbahnhof Abschied voneinander. Die Tante hat ihr Ticket und will Silvester mit diesem Mann feiern, wie hieß er doch gleich? Ester hat es schon vergessen.
    Ester schleppt ihren bleischweren Koffer zu ihrem Zimmer in der Jungfrugata. Die Wohnung ist leer und still. Die Handwerker arbeiten an den Feiertagen nicht. Die Schule wird erst in über drei Wochen wieder beginnen. Ester kennt keinen Menschen. Bis dahin wird sie also niemanden treffen.
    Sie setzt sich auf einen Stuhl. Noch hat sie nicht um die Mutter geweint. Und es kommt ihr sehr bedrohlich vor, das gerade jetzt zu tun. Jetzt, da sie ganz allein ist. Sie wagt es einfach nicht.
    Und so sitzt sie in der Dunkelheit. Wie lange, weiß sie nicht.
    Nicht gerade jetzt, sagt sie sich. Ein andermal. Vielleicht morgen. Morgen ist Silvester.
     
    Dann vergeht eine Woche. Ab und zu erwacht Ester, und draußen ist es hell. Ab und zu erwacht sie, und es ist dunkel. Ab und zu steht sie auf und setzt Teewasser auf. Steht daneben und schaut in den Topf, wenn es kocht. Ab und zu ertappt sie sich dabei, dass sie den Topf nicht von der Platte nimmt, sie steht nur da und sieht zu, während das Wasser verkocht. Dann muss sie neu anfangen, mit neuem Wasser im Kessel.
    Eines Morgens wacht sie auf, und ihr ist schwindlig. Und sie weiß, dass sie schon lange nichts mehr gegessen hat.
    Sie wandert zu einem 7-Eleven. Es ist unangenehm, aus dem Haus zu gehen. Sie hat das Gefühl, dass die Leute sie ansehen. Aber ihr bleibt nichts anderes übrig. Graues Wetter. Die Baumstämme sind feucht und schwarz. Nasser Kies auf den Wegen. Aufgeweichte Hundehaufen und Müll. Der Himmel ist schwer und nah. Unmöglich, sich vorzustellen, dass die Sonne da oben ist. Dass die Wolkendecke von oben aussieht wie eine Schneelandschaft im Spätwinter.
    Im Kiosk schlägt ihr der Duft von süßem, frisch gebackenem Weizenbrot und Grillwürstchen entgegen. Ihr Magen krampft sich so heftig zusammen, dass es wehtut. Ihr wird wieder schwindlig. Sie packt

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