Rebecka Martinsson 04 - Bis dein Zorn sich legt
Schweigen zu bringen.
Auf irgendeine Weise ist ihm das natürlich bewusst. Und statt zu schweigen, redet er noch mehr. Er hat gelernt, ohne Pause zu reden, damit niemand das Gespräch beenden kann.
Jetzt hat Göran Sillfors wirklich etwas zu erzählen. Etwas, das andere wirklich interessant finden werden, vor allem die Einwohner von Piilijärvi. Die Polizei hat den Verdacht, dass Wilma und Simon ermordet worden sind. Die Polizei hat mit Hjörleifur gesprochen, der vielleicht mehr weiß, als er verrät. Göran Sillfors hat eine Neuigkeit, und jetzt ruft er den ehemaligen Arbeitskollegen seines Vetters an, der in Piilijärvi wohnt.
Er kann nicht wissen, wie schlimm das ist. Welche Folgen dieser Anruf haben wird.
Nach dem Telefongespräch zieht der ehemalige Arbeitskollege des Vetters seine Jacke an und geht hinaus in den Ort.
Die Nachricht verbreitet sich wie Wasser unter Frühlingsschnee.
Anna-Maria Mella und Rebecka Martinsson trafen gegen halb eins wieder auf der Wache ein,
»Ich würde gern den See nach dieser Schuppentür absuchen«, sagte Anna-Maria Mella zu Rebecka, als sie aus dem Wagen stiegen. »Aber wir müssen wohl warten. Das Eis ist zu dünn, um zu tragen. Fast einen halben Meter dick, aber du kannst voll durchbrechen. Ich möchte ja wissen, ob Krister Eriksson Tintin dazu bringen könnte, nach einer Tür zu suchen. – Sicher«, antwortete sie sich selbst. »Ich glaube, dieses Tier kocht ihm morgens den Haferbrei.«
»Was ist mit seinem Gesicht passiert?«, fragte Rebecka.
»Keine Ahnung«, sagte Anna-Maria, »aber nach allem, was ich gehört habe, wenn auch nicht von ihm selbst …«
Sie verstummte und blieb stehen.
»Was ist los?«, fragte Rebecka.
Sie folgte Anna-Marias Blick und entdeckte Hjalmar und Tore Krekula, die in ihrem Auto auf dem Parkplatz saßen. Als sie Anna-Maria sahen, stiegen sie aus und kamen auf sie zu. Anna-Maria merkte, wie sich ihr vor Angst und Wut der Magen zusammenschnürte. Sie dachte an ihre Tochter Jenny.
»Ich wollte dir nur mitteilen«, sagte Tore Krekula, »dass wir bei deinem Chef waren, um mit ihm darüber zu reden, wie die Polizei die Leute in Piilijärvi schikaniert.«
»Aber wieso …«, begann Anna-Maria.
»Es geht um eure Einstellung«, fiel Tore ihr ins Wort. »Du rennst auf deine verdammt überhebliche Art durch den Ort, und die Leute fühlen sich angeklagt und schikaniert. Das geht vielen von uns so. Und viele von uns werden das deinem Chef erzählen.«
»Mach das«, sagte Anna-Maria und sah ihm starr in die Augen. »In der letzten Zeit viele SMS verschickt?«
»Aber klar doch«, sagte Tore träge und erwiderte den Blick.
Sie wichen beide nicht aus.
Am Ende nahm Rebecka Martinsson Anna-Marias Arm.
»Komm schon«, sagte sie.
Sie fing Hjalmar Krekulas Blick auf.
Hjalmar legte seinem Bruder die Hand auf die Schulter.
Rebecka Martinsson und Hjalmar Krekula standen da wie zwei Hundebesitzer, jeder mit seinen Pitbull an der Leine.
Am Ende ließ Anna-Maria sich davonführen. Tore zuckte mit den Schultern, um sich von Hjalmars Hand zu befreien.
»Fahren wir?«, fragte Hjalmar.
Tore Krekula spuckte in den Schnee.
»Hure«, sagte er hinter Anna-Maria Mella her, als die schon in der Wache verschwunden war.
Sein Telefon klingelte, und er meldete sich. Hörte eine Weile schweigend zu. Als er das Gespräch beendet hatte, sagte er: »Ja, jetzt fahren wir. Wir schauen bei Hjörleifur Arnarson vorbei.«
ICH BIN BEI Anni. Sie hat es mit Hilfe des Tretschlittens fast bis zum Seeufer geschafft. Die Sonne versteckt sich hinter den Baumwipfeln. Wir haben mittags Tauwetter, und jetzt liegt ein zauberischer Dunst über dem See.
Vom anderen Seeufer her ist der Schrei eines Hasen zu hören. Er klingt wie ein kleines Kind. Gespenstisch durch den Nebel. Vermutlich hat der Fuchs ihn geholt. Sie sind zur Paarungszeit unvorsichtig, die Hasen.
Manche bezahlen für die Liebe mit ihrem Leben, denkt sie.
Kaum hat sie das gedacht, da merkt sie, dass ihre Schwester hinter ihr steht.
Kerttu Krekula. Sie ist ebenfalls mit dem Tretschlitten unterwegs, hält neben Anni an und schaut auf den See hinaus.
»Du darfst nicht mit der Polizei reden«, sagt sie. »Du darfst sie nicht ins Haus lassen.«
Anni sagt nichts. Ich versuche, mich zwischen sie zu drängen. Aber zwischen den Schwestern spannen sich so viele Fäden …
Anni wendet den Kopf nicht um. Stattdessen sieht sie Kerttu in Gedanken. Die Kerttu, die sie ansieht, ist jung und glatt. Es scheint noch nicht so lange
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