Rebecka Martinsson 04 - Bis dein Zorn sich legt
dem Zopf und wollten davonfliegen.
»Hast du das schon gehört?«, fragte sie. »Wir haben Antwort vom Labor. An Tore Krekulas Jacke ist Blut von Hjörleifur Arnarson gefunden worden.«
»Wow«, sagte Rebecka und hatte das Gefühl, jählings aus einem Traum gerissen worden zu sein. Sie war ganz in Gedanken an ihre Begegnung mit Hjalmar Krekula auf dem Friedhof versunken gewesen. »Was wollt ihr …«
»Jetzt nehmen wir Tore Krekula natürlich fest. Wir sind gerade auf dem Weg zu ihm.«
Anna-Maria verstummte. Sie sah schuldbewusst aus.
»Natürlich hätte ich dich anrufen müssen. Aber du hattest doch den ganzen Vormittag Verhandlungen? Willst du gleich mitkommen, wenn wir ihn holen?«
Rebecka schüttelte den Kopf.
»Ehe du gehst«, sagte sie und legte Anna-Maria eine Hand auf den Arm, um sie zurückzuhalten. »Ich war auf dem Friedhof.«
Anna-Maria versuchte tapfer, ihre Ungeduld zu verbergen.
»Ja«, sagte sie mit vorgetäuschtem Interesse.
»Da war auch Hjalmar Krekula. Um Wilmas Grab zu besuchen. Ich glaube, er balanciert am Rand von … ich weiß nicht, wovon. Es geht ihm nicht gut. Ich hatte das Gefühl, dass er mir etwas gestehen wollte.«
Anna-Maria wurde ein wenig aufmerksamer.
»Was hat er gesagt?«
»Ich weiß nicht, es war vor allem ein Gefühl.«
»Sei jetzt nicht sauer«, sagte Anna-Maria. »Aber könnte es sein, dass du hier ein wenig projizierst? Das hier ruft vielleicht deine eigene Geschichte wach. Dass es dir schlecht ging, als du … du weißt schon.«
Rebecka spürte, wie sich etwas in ihr verkrampfte.
»Das kann natürlich sein«, sagte sie steif.
»Wir können weiter darüber reden, wenn ich zurückkomme«, sagte Anna-Maria. »Aber mach einen Bogen um Hjalmar Krekula, okay? Er ist gefährlich, vergiss das nicht.«
Rebecka schüttelte nachdenklich den Kopf.
»Er würde mir niemals etwas tun«, sagte sie.
» Famous last words «, sagte Anna-Maria und feixte. »Ich meine das ernst, Rebecka. Selbstmord und Mord können verdammt dicht beieinanderliegen. Wir hatten voriges Jahr so einen Typen, der einen erweiterten Selbstmord beging. Er war in seiner Hütte in Laxforsen und befreite zuerst seine Frau und dann seine Kinder von sieben und elf vom Leid dieser Welt. Dann konnte er sich selbst mit einer Überdosis normaler Eisentabletten ums Leben bringen. Nieren und Leber gaben auf. Aber bis zu seinem Tod dauerte es noch zwei Monate. Er lag in Umeå, mit Schläuchen überall, und stand unter Mordanklage.«
Sie schwiegen. Anna-Maria hätte sich die Zunge abbeißen mögen. Sie dachte daran, wie Rebecka die Männer draußen in Jiekajärvi getötet hatte. Aber das war doch etwas ganz anderes gewesen. Und wie sie verrückt geworden war und sich hatte umbringen wollen. Aber auch das war etwas ganz anderes gewesen. Warum wurde immer alles so verdammt kompliziert? Das gesamte Terrain, das Rebecka Martinsson umgab, war vermint. Verdammt, warum hatte sie ihr gerade jetzt begegnen müssen!
Tommy Rantakyrö und Fred Olsson eilten über den Gang herbei. Sie begrüßten rasch Rebecka und sahen Anna-Maria fragend an.
»Dann holen wir uns Tore Krekula«, sagte Anna-Maria. »Bei der Vernehmung willst du sicher dabei sein?«
Rebecka nickte, und die Meute verschwand durch die Tür, bellend und fiepend, die Nasen gegen den Boden gedrückt.
Rebecka blieb zurück, mit dem Gefühl, ausgeschlossen zu sein.
Auweia, versuchte sie sich gut zuzureden. Jetzt machst du dich aber klein.
Vera bellte plötzlich los. Draußen war Krister Eriksson vorgefahren und hatte Tintin und Roy aus dem Wagen springen lassen. Er strahlte, als er Rebecka sah, und kam auf sie zu.
»Ich war auf Jagd nach dir«, sagte er und lächelte so breit, dass sich seine rosafarbene Haut anspannte. »Kannst du eine Weile Tintin bei dir behalten, was meinst du? Ich muss mit Roy trainieren, und Tintin ist immer wahnsinnig unglücklich, wenn sie im Auto warten muss.«
Vera stand brav still und wedelte freundlich mit dem Schwanz, während Tintin und Roy sie beschnupperten, unter dem Bauch und am Hintern.
»Das mache ich gern«, sagte Rebecka.
»Wie geht’s denn?«, fragte er und Rebecka hatte das Gefühl, dass er in sie hineinsah.
»Gut«, log sie.
Sie erzählte von Tore Krekulas Jacke und der bevorstehenden Festnahme.
Er schwieg und wartete. Sah sie mitfühlend an.
Schweigen und warten, das ist deine Stärke, dachte Rebecka. Also warte du nur.
Sie hatte nicht vor, von Hjalmar Krekula und der Begegnung auf dem Friedhof zu
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