Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rebecka Martinsson 04 - Bis dein Zorn sich legt

Rebecka Martinsson 04 - Bis dein Zorn sich legt

Titel: Rebecka Martinsson 04 - Bis dein Zorn sich legt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Larsson
Vom Netzwerk:
ich verschlossen halten wollte.«
    Hjalmar merkt, dass er kaum atmen kann. Genauso ist es, möchte er sagen. Zuerst Wilma und Simon. Und das war schlimm gewesen, aber er hatte es geschafft. Aber dann noch Hjörleifur Arnarson.
    »Bist du denn nach ganz unten gesunken?«, fragt er. »Warst du auf dem Grund?«
    »Ich glaube schon. Aber von dem Schlimmsten kann ich mich nicht an sehr viel erinnern. Es ging mir wahnsinnig schlecht.«
    Sie haben mir Elektroschocks verpasst, denkt sie. Und sie haben mich bewacht. Ich will nicht darüber reden.
    Da stehen sie, Rebecka Martinsson und Hjalmar Krekula. Für ihn ist es so schwer zu fragen. Für sie ist es so schwer zu antworten. Sie kämpfen sich in diesem Gespräch vor wie zwei Wanderer, die in einen Schneesturm geraten sind. Stemmen sich mit gesenkten Köpfen gegen den Wind.
    »Ich weiß nicht mehr«, sagt sie. »Ich habe mir manchmal gedacht: Wenn man sich daran erinnert, wie man einmal richtig traurig war, dann stellt sich die Trauer wieder ein, wenn man daran denkt. Und wenn man daran denkt, wie man einmal richtig froh war, dann stellt sich die Freude wieder ein. Aber wenn man daran denkt, wie man einmal Angst hatte, dann stellt sich dieses Gefühl nicht wieder ein. Da scheint das Gehirn einfach Stopp zu sagen. Es will nicht dorthin zurückkehren. Man kann sich nur daran erinnern, dass es so war. Das Gefühl kann man nicht mehr genau so nachempfinden.«
    Traurig?, denkt Hjalmar. Trauer? Freude?
    Sie schweigen wieder.
    »Und du?«, fragt Rebecka endlich. »Wen besuchst du?«
    »Ich wollte sie besuchen.«
    Sie begreift, dass er von Wilma redet.
    »Hast du sie gekannt?«, fragt sie.
    Ja, sein Mund bewegt sich, obwohl kein Laut herauskommt, aber er nickt.
    »Wie war sie?«
    »An ihr war nichts auszusetzen«, sagt er und fügt grinsend hinzu: »Sie hatte Probleme mit Mathe.«
    Wilma sitzt an Annis Küchentisch und rauft sich aus Verzweiflung über das vor ihr aufgeschlagene Mathebuch die Haare. Sie muss Mathe und Schwedisch büffeln, um sich im nächsten Jahr fürs Gymnasium bewerben zu können. Anni spült und sieht durch das Fenster Hjalmar zu, der mit dem Traktor auf dem Hofplatz hin- und herfährt und den Schnee entfernt. Anni ist schließlich seine Tante.
    Wilma flucht, dass es über dem Mathebuch nur so qualmt. Gottes Engel bekommen eine Gänsehaut, so, wie sie loslegt.
    »Verdammte Teufelscheißfotze«, sagt sie inbrünstig.
    »Na hör mal, Kind«, ermahnt Anni.
    »Aber ich will nicht«, stöhnt Wilma. »Ich bin einfach blöd, ich kapier rein gar nichts. Scheißalgebradreck. ›Die Konjugatregel vereinfacht das Binom zwischen Termini gleicher Art.‹ Jetzt scheiß ich darauf. Ich rufe Simon an, dann machen wir eine Tour mit dem Schneemobil.«
    »Tu das.«
    »Aaah! Aber ich muss das hier doch lernen.«
    »Dann ruf ihn eben nicht an.«
    Jetzt sieht Anni, dass Hjalmar bald fertig sein wird. Sie setzt Kaffee auf. Fünf Minuten später schaut er herein und sagt, er sei fertig. Anni lässt ihn nicht weg. Jetzt hat sie ja gerade Kaffee aufgesetzt. Sie und Wilma können nicht alles allein trinken. Sie hat auch Zimtschnecken aufgetaut.
    Er lässt sich überreden, setzt sich an den Küchentisch. Behält die Jacke an und zieht den Reißverschluss nur halb auf, als Zeichen dafür, dass er nicht lange bleiben will.
    Er sagt nichts. Das macht er nie, daran sind alle gewöhnt. Anni und Wilma sorgen für das Geplauder und sind nicht so dumm, ihn mit einer Menge Fragen ins Gespräch ziehen zu wollen.
    »Also, jetzt ruf ich Simon an«, sagt Wilma endlich und geht hinaus in die Diele, wo das Telefon auf einem kleinen Teakholztisch steht, vor einem Spiegel und neben einem Hocker.
    Anni steht auf, um einen Fünfziger aus einer Kakaodose zu holen, die auf der Dunstabzugshaube steht. Es gehört zu ihrem Ritual, dass sie versuchen wird, Hjalmar für das Schneeräumen Geld aufzudrängen. Er weigert sich immer und nimmt am Ende eine Tüte Zimtschnecken mit oder Gulasch in einer Plastikdose. Oder gar nichts. Während Anni in der Kakaodose wühlt, greift Hjalmar nach Wilmas Mathebuch. Er überfliegt den Text und löst innerhalb einer Minute eine Aufgabe mit neun Zahlen.
    »Oho«, sagt Anni und schaut ins Buch. »Das hatte ich ja fast vergessen. In der Schule warst du doch so gut in Mathe. Vielleicht könntest du Wilma helfen. Sie ist total verzweifelt.«
    Aber da muss Hjalmar sofort gehen. Er zieht seinen Reißverschluss hoch, grunzt einen Dank für den Kaffee und schnappt sich den Fünfziger, um

Weitere Kostenlose Bücher