Rebecka Martinsson 05 - Denn die Gier wird euch verderben
und müde aus.
»Ist ja wohl kein Wunder«, sagte Krister. »Man darf verletzt und wütend sein. Wenn man schlecht behandelt wird.«
»Ja. Ich habe auch nicht vor hinzugehen, solange sie mit der Mordermittlung zu tun haben. Ich nehme meinen ganzen Resturlaub.«
Sie nahm einige Schlucke Kaffee und klopfte mit dem Fingernagel an den Becher.
»Was glaubst du, was ihr passiert ist?«, fragte sie.
»Ich weiß nicht«, sagte er leise, als könnte Marcus ihn auch von draußen noch hören. »Diese besinnungslose Gewalt. Vielleicht jemand aus dem Ort, der einfach durchgedreht ist. Sol-Britt war doch eine Außenseiterin. Über die geredet wurde. Da kann sie an einen Irren geraten sein. So einen, der einen Promi umbringt oder die, die im Ort als Hure bezeichnet wird.«
»Schuld«, murmelte Rebecka. »Wenn ein ganzes Dorf am Küchentisch gesessen und Sol-Britt Uusitalo als Hure bezeichnet hat. Mit dem Finger auf sie gezeigt. Und dann wird irgendwer psychotisch. Und beschließt, sie umzubringen. Wessen Schuld ist das dann? Die des Dorfes? Meine? Meine, weil ich dort wohne und es lieber nicht wissen, nicht sehen wollte?«
Krister Eriksson gab keine Antwort. Rebeckas Blick hing unten im Becher fest, als könne sie dort die Wahrheit lesen. Dann zuckte sie zusammen. Ihr war eingefallen, dass sie verdammt nochmal für Sivving einkaufen musste. Und sie sprang auf und bedankte sich für das Essen.
Dann war sie verschwunden. Rotzwelpe nahm sie mit, Vera ließ sie Marcus zuliebe da.
Krister Eriksson stand in seiner Küche. Kam sich ziemlich durcheinandergerüttelt vor. Wie immer, wenn sie mal eben in sein Leben reinplatzte und wieder verschwand. Er überlegte, ob der Wildhund vielleicht ein wenig Eis zum Nachtisch wollte.
A NNA- M ARIA M ELLA SASS zu Hause am Küchentisch und verspeiste einen kalten Pfannkuchen. Das Besteck lag unberührt neben dem Teller, sie aß den Pfannkuchen wie ein Butterbrot, ohne ihn auch nur unter der Mikrowelle warm zu machen. Robert und die Kinder hatten den ganzen Tag bei Roberts Schwester gegessen. Anna-Maria konnte sich ihren Gedanken überlassen.
Sie dachte: O Scheiße.
Dann stützte sie die Ellbogen auf. Die Preiselbeermarmelade tropfte auf das Wachstuch. Sie wischte es mit dem Zeigefinger auf und leckte ihn ab.
Hätte sie von Post heute auffordern müssen, sich zum Teufel zu scheren? Hätte sie sich auf Rebeckas Seite stellen müssen?
Sie sah ein, dass sie niemanden fragen konnte.
Robert wäre keine gute Idee. Sie wusste, was er sagen würde. »Aber Moment mal, nicht du hast doch Rebecka von der Ermittlung abgezogen. Warum solltest du abspringen, weil sie ausgetauscht wird? Du musst doch deine Arbeit machen. Wo ist da das Problem?«
Manche Leute konnten natürlich mit ihren Eltern reden. Aber das hatte sie nie getan. Ihre Eltern wohnten unten in Lombolo, und sie sahen sich vielleicht einmal im Monat. Jenny und Petter konnte sie nicht mehr mitbeordern, deshalb trafen die ihre Großeltern fast nie. Ihre Mama war auch nicht sonderlich interessiert. Sie liebte Babys, die waren pflegeleicht und niedlich. Ältere Kinder dagegen waren anstrengend, machten Krach und tobten herum. Vor allem Anna-Marias Kinder. Anna-Marias Bruder wohnte in Piteå. Anna-Marias Mutter erzählte immer von seinen Kindern, wie gut bei denen alles lief und wie ruhig und lieb und klug sie waren. Und Anna-Marias Vater …
Sie seufzte. Ihr Vater machte Spaziergänge und behielt das Wetter im Auge. Das war sein Leben. Warum hatten ihre Eltern das Haus verkauft? Als sie das noch gehabt hatten, hatte er immerhin in Haus und Garten herumpusseln können. Jetzt drehte er nur noch seine endlosen Runden. Er wäre peinlich berührt, wenn Anna-Maria mit ihren Jobsorgen ankäme.
Und ich habe keine Freundinnen, dachte sie und nahm das saubere Geschirr aus der Spülmaschine.
Aber ist das wirklich meine Schuld? Sie machte mit der Gabel eine Drohgebärde in der Luft, ehe sie die in die Schublade legte. Ich arbeite Vollzeit und habe vier Kinder. Woher soll ich da die Zeit für Freundinnen nehmen? Oder die Kraft? Und wenn man irgendwann beschließt, bei Ferrum ein Bier zu trinken oder zusammen zum Sport zu gehen, dann kann man Gift darauf nehmen, dass die Kinder krank werden. Irgendwann kriegen die Leute das doch satt. Suchen sich andere, mit denen sie ins Kino gehen können.
Anna-Maria schloss die Spülmaschine und nahm einen Lappen aus dem Spülbecken, um ein wenig zu wischen.
Die Küche sah jetzt ziemlich ordentlich aus. Der Lappen
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