Rebella - Verliebt oder was?
Wahrheit kennen.
»Also gut«, sagt Lynn. »Wenn du es wirklich willst … Sie
haben zusammen an der Bar gesessen und Julia hat ihre
Hand auf sein Knie gelegt. Sie hat ihn angelacht, und er hat sich vorgebeugt, um ihr etwas zu sagen. Und da ist sie auf
seinen Schoß gekrochen.«
»Haben sie sich dann geküsst?«
Lynn legt den Kopf schräg und sieht mich an.
»Haben sie sich dann geküsst, Lynn? Bitte, ich höre es lieber
von dir als von …«
»Ja. Sie saß auf seinem Schoß und da haben sie sich geküsst.
«
Ohne es zu wollen, brennen schon wieder Tränen in meinen
Augen. Ich beiße mir auf die Innenseiten meiner Wangen,
um nicht zu weinen.
Ich will nicht mehr weinen.
Lynn streichelt mir sanft den Rücken. »Ach, du Arme«,
sagt sie leise.
Und dann fange ich doch wieder an.
Lynn hat ihre Mutter angerufen, um zu sagen, dass sie bei
mir schläft. Der Form halber habe ich noch erklärt, das sei
nicht nötig, aber Lynn hat mich sofort unterbrochen.
»Das entscheide ich selbst.«
Meine Mutter hat nichts gefragt, als ich ihr sagte, Lynn
würde über Nacht bleiben. Wahrscheinlich hat sie an meinen
geschwollenen Augen gesehen, dass etwas nicht in Ordnung
ist.
»Natürlich kann sie bleiben«, meinte sie. »Und wenn ihr
später Lust auf Schokolade habt, im Kühlschrank liegt noch
eine Tafel. Die könnt ihr euch nehmen.«
Ich bin meiner Mutter dankbar, dass ich ihr nichts erklären
muss. Mir würden bestimmt wieder die Tränen kommen,
und sie soll nicht sehen, dass ich wegen eines Jungen weine.
Ich fühle mich schrecklich, und Lynn ist die Einzige, die das
mitkriegen darf.
»Weißt du, was am allergemeinsten ist?«, sage ich. »Dass er
mir gesagt hat, er würde abends zu Hause bleiben. Erst belügt
er mich nach Strich und Faden, und dann küsst er Julia, während
alle dabei sind.«
Ich spucke den Namen fast aus. »Julia! Oh, und ich kenne
die Tipps schon! Dass ich nicht wütend auf sie sein soll, weil
ich nichts mit ihr habe, aber: Julia! Der kann ich doch niemals
das Wasser reichen.«
Lynn sieht mich schweigend an, bevor sie vorsichtig entgegnet:
»Weißt du, was du da gerade sagst, Marie? Das ist
doch kein Wettstreit.«
»Ach nein?«, frage ich. »Ach nein?« Ich spüre, wie meine
Stimme kippt. »Und wieso fühle ich mich dann, als hätte ich
voll verloren?«
Ich schlafe schlecht in dieser Nacht.
Ich kriege nur halb mit, dass Lynn morgens weggeht und
verspricht, später wiederzukommen. Und dass ich die ganze
Zeit SMS von Raoul bekomme. Warum ich nicht reagiere.
Ob vielleicht was ist. Ich drücke die SMS weg, ohne zu antworten.
Soll er doch selbst rausfinden, dass ich schon alles
weiß. Er braucht nicht zu glauben, dass er abends mit Julia rumknutschen und sich danach wieder mit süßen Worten
bei mir einschleimen kann.
Die ganze Nacht über habe ich dagelegen und vor meinem
inneren Auge Raoul und Julia gesehen. Raoul, der Julia die
Haare hinters Ohr schiebt. Raoul, der sagt, wie super er sie
findet, richtig super. Julia, die kichert.
Als ich aufwache, weiß ich für einen Moment nicht, wo ich
bin. Lynn liegt neben mir auf dem Bett, angezogen. Sie stützt
sich auf die Ellbogen.
»Hast du noch ein wenig schlafen können?«, fragt sie leise.
Ich schüttele den Kopf. »Ich habe immer nur an Raoul und
Julia gedacht.« Ich richte mich auf und sehe Lynn an. »Bist
du zu Hause gewesen? Ich habe kaum gemerkt, dass du weggegangen
bist.«
»Nur schnell duschen und was anderes anziehen. Hast du
schon was von Raoul gehört?«
Mit dem Ärmel wische ich die Reste Wimperntusche unter
meinen Augen weg.
»Nein«, sage ich. »Oder eigentlich doch. Er hat letzte Nacht
ständig SMS geschickt. Ob was ist. Hast du das nicht mitgekriegt?
«
Lynn schüttelt den Kopf. »Wenn ich einmal schlafe, dann
schlafe ich. Und? Hast du geantwortet?«
Ich zucke mit den Schultern. »Ich hab’s ignoriert. Was
sollte ich denn antworten? Am liebsten würde ich ihn richtig
zusammenscheißen.«
Lynn lacht vorsichtig. »Das ist aber nicht sehr ladylike.«
»Die ›Do’s and Dont’s‹ bei Liebeskummer kenne ich
schon, doch im Augenblick hätte ich lieber eine Liste mit
zehn Arten, seinen Freund zu killen.«
Ich ziehe die Nase hoch. »Aber so, dass es aussieht wie ein
Unfall.«
»Kein Wunder, dass sich Romeo vergiftet hat«, bemerkt
Lynn. »Mit einer Freundin wie Julia hat man kaum eine
andere Wahl.«
Ich muss lachen, aber es fühlt sich sofort an wie Selbstverrat.
Ich will überhaupt nicht lachen. Ich will nie wieder
lachen. Von mir
Weitere Kostenlose Bücher