Rebellin der Liebe
meisten Bewohner der Burg noch pflichtgemäß in der Kapelle ihre Morgengebete hielten.
Der Mann taumelte trunken im Kreis. »Himmel, Weib, du hast mich derart verwirrt, dass ich nich’ mehr weiß, ob ich komme oder gehe«, stammelte er.
»Du hast weder für das eine noch für das andere Talent«, kam die trockene Antwort aus dem Inneren der Hütte. »Also kannst du ebenso gut gehen.«
Krachend fiel die Tür ins Schloss.
»Tolldreistes Weibsbild«, grummelte er und brachte endlos damit zu, an dem baumelnden Band seiner Hose herumzunesteln, ehe er schließlich, immer noch Flüche murmelnd, die Straße hinabschlurfte.
Willow wartete, bis er um eine Ecke verschwunden war, ehe sie sich vorsichtig der Tür näherte. Als Reaktion auf ihr schüchternes Klopfen brüllte die Frau: »Wenn du dir für deinen Schilling nicht die Blattern oder sonst was holen willst, lässt du mir wenigstens kurz Zeit zum Waschen, ja?«
»Tja«, murmelte Willow, dankbar, dass niemand in der Nähe war, um zu beobachten, wie ihr die Röte in die Wangen kroch. »Ich glaube, dass ich hier tatsächlich richtig bin.«
Sie hatte noch genügend Zeit, um den schweren Korb dreimal zwischen ihren inzwischen schmerzenden Händen und lahmen Armen zu wechseln, ehe eine hoch gewachsene, knochige Frau die Tür einen Spaltbreit öffnete und sie argwöhnisch musterte. Da Willow nicht wusste, was sie sagen sollte, reichte sie ihr wortlos den mit einem Tuch bedeckten Korb.
Sofort wurde der Argwohn im Blick der Frau durch unverhohlene Verachtung ersetzt. »Frauen wie Euch kenn ich zur Genüge. Frauen wie Euch habe ich schon öfter vor meiner Tür stehen gehabt. Ihr hüllt Euch in Euren warmen Umhang, kommt aus Eurer gemütlichen Hütte gekrochen und zieht Euch die Kapuze über den Kopf, damit niemand außer Gott erfährt, dass Ihr Euch der armen Dorfhure erbarmt. Tja, Ihr könnt mitsamt Eurer christlichen Nächstenliebe zum Teufel gehen«, schnauzte sie. »Ich brauche Euer Mitleid nicht!«
Sie hätte Willow die Tür vor der Nase zugeworfen, hätte Willow nicht geistesgegenwärtig den Korb zwischen Tür und Angel geschoben. »Bitte schickt mich nicht einfach wieder fort! Ich bin nicht nur aus Mitleid oder Nächstenliebe hier. Ich bin diejenige, die etwas von Euch will. Ich bin diejenige, die Eure Hilfe nötig hat.«
Immer noch starrte die Frau sie wütend an, sodass Willow schließlich verzweifelt ihre Kapuze nach hinten schob und sich zu erkennen gab.
Die Frau erstarrte, ehe sie beinahe geistesabwesend über Willows abgesäbelte Locken strich, mit einem rätselhaften Lächeln zur Seite trat und in Richtung des Inneren der Hütte wies. »Schließlich soll niemand sagen, die alte Netta hätte die Braut ihres Herrn vor die Tür gesetzt.«
Das Licht des Feuers in dem lange nicht mehr gereinigten Kamin enthüllte, dass die »alte Netta« wahrscheinlich höchstens zehn, zwölf Jahre älter als Willow war. Mit ihren schmalen Hüften und der Mähne honigfarbenen Haars war sie sicher einmal durchaus hübsch gewesen, ehe die Zeit und die Enttäuschung über ihr Leben ihre Mundwinkel herabgezogen und hohle Vertiefungen unter ihre hervorstehenden Wangenknochen gemeißelt hatten.
Obgleich die Waschschüssel und das feuchte Tuch auf dem Hocker vor dem Kamin darauf hinwiesen, dass die Frau tatsächlich frisch gewaschen war, war die Luft von einem unverkennbaren Moschusduft erfüllt. Willow bemühte sich, nicht auf das zerwühlte Bett zu sehen und sich vorzustellen, wie viele Männer dort bereits ihr Vergnügen gefunden hatten, doch das war alles andere als leicht, denn Netta ließ sich unbekümmert darauf sinken und stützte sich rücklings auf ihren Ellenbogen auf.
Während die Frau sie stumm betrachtete, nahm Willow die Schüssel von dem Hocker, setzte sich vorsichtig hin und stellte den Korb vor sich auf dem Boden ab.
»Und? Wie geht es den Herrschaften auf der Burg?«, fragte Netta schließlich. »Eurem Herrn? Seiner Brut?«
Auf diese Frage war Willow nicht vorbereitet. »Es geht ihnen allen sehr gut, vielen Dank. Und sie sind genau der Grund, weshalb ich heute hierher gekommen bin.« Sie spielte nervös mit dem Ärmel ihres Kleides. »Mir wurde berichtet, dass Ihr eine Frau mit einiger... hm... Erfahrung seid.«
Netta zog eine ihrer gezupften Brauen hoch.
»Was der Grund dafür ist, dass ich gehofft habe, Ihr könntet mir vielleicht...« Willow brach verlegen ab.
»Zeigen, wir Ihr Euren Herrn am besten zufrieden stellt?«, beendete Netta ihren Satz. »Wisst
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