Rebellin der Liebe
erstaunlich schadlos überstanden hättest.«
Und tatsächlich hätte sich Willow, als sie sich nun im Spiegel betrachtete, mit den schimmernden dunklen Locken, den leuchtenden Augen und den geröteten Wangen beinahe nicht erkannt. Es war fast so, als sähe sie sich selbst mit Bannors Augen an.
Während Willow ihren Gedanken nachhing, riss ihr Beatrix den Spiegel aus der Hand. Das Mädchen hatte immer schon nur für seine eigene Eitelkeit Verständnis aufgebracht. Als es jetzt jedoch den Spiegel drehte und wendete, um ihr Gesicht, ihre Brüste und ihre üppigen Hüften aus allen erdenklichen Winkeln zu mustern, legte sich der Schatten eines Zweifels über seine gewöhnliche Selbstzufriedenheit. »Hat Lord Bannor wirklich gesagt, ich wäre fett?«
»Natürlich nicht«, versicherte die große Schwester ihr. Da Bannor gesagt hatte, Bea wäre plump, hoffte sie, dass Gott ihr diese kleine Notlüge verzieh. »Du kennst Edward doch gut genug, um zu wissen, dass er häufig dummes Zeug erzählt. Lord Bannor hat gesagt, du wärst nett. Sehr nett.« Als die vertraute Selbstgefälligkeit in Beatrix’ Augen zurückkehrte, konnte Willow der Versuchung jedoch nicht widerstehen hinzuzufügen: »Wenn auch ein noch nicht allzu reifes Kind.«
Ohne auf das wütende Schnauben des Mädchens zu achten, nahm Willow wieder Platz. »Ich glaube, dass du bei vierhundert warst.« Sie sah Beatrix mit einem zuckersüßen
Lächeln an. »Oder vielleicht erst dreihundertfünfzig? Ich weiß es nicht mehr so genau.«
Während Beatrix widerwillig abermals mit der Bürste an ihren Locken zu rupfen begann, musste sich Willow alle Mühe geben, nicht vor Schmerz aufzuquietschen. Eigentlich sollte sie nach allem, was sie am Nachmittag getan hatte, vor Erschöpfung umfallen, aber die Vorfreude auf das, was sie erwartete, machte selbst den Gedanken daran, schlafen zu gehen, vollkommen absurd. Beatrix’ beleidigte Stimme hatte vierhundertzwanzig erreicht, als die Glocke der Kapelle zu läuten begann.
Willow sprang so abrupt auf die Füße, dass Beatrix’ Hand mitten in der Bewegung in der Luft hängen blieb. Willow rannte Richtung Tür.
»Wo in aller Welt will sie denn so plötzlich hin?«, murmelte Beatrix, als die Glocke der Kapelle zum zwölften Male schlug.
Erschöpfter als je nach einer Schlacht schleppte sich Bannor die Treppe zu seinem Turmzimmer hinauf. Sein Schädel dröhnte, seine Knie pochten und egal, wie sehr er sich darum bemühte - der Schmerz zwischen seinen Schulterblättern ließ sich einfach nicht abschütteln.
Dass seine Knie wehtaten, war kein Wunder. Schließlich war er während der letzten beiden Stunden auf Händen und Knien über die harten Steine im großen Saal gekrochen, und Meg, Margery und Colm waren abwechselnd auf seinem Rücken geritten, hatten an seinen Haaren gezogen, ihm ihre spitzen kleinen Fersen in die Rippen gebohrt und gerufen: »Schneller, Papa, das ist noch nicht schnell genug!« Hätte sich die Glocke der Kapelle nicht gerade noch rechtzeitig erbarmt, hätte er bestimmt einen der Quälgeister einfach abgeworfen und wäre in die Freiheit galoppiert.
Es hatte nicht lange gedauert, bis er erkannt hatte, dass es ein Fehler gewesen war, auf Mary Margarets Forderung einzugehen. Das Kind war keine von goldenen Ringellöckchen gekrönte Prinzessin, sondern eine blauäugige Tyrannin, zu der sich im Vergleich Attila der Hunne sicher ausgenommen hätte wie ein frommes Lamm. Nach nur einem Tag, an dem sie beinahe alles, was sie in die Hände nahm, gnadenlos zerstört hatte, konnte er verstehen, weshalb kaum noch eine ihrer Puppen einen Kopf, zwei Arme oder zwei Beine besaßen.
Keils und Edwards ständige Streitereien hallten ihm noch im Ohr. Ennis und Mary hatten den Großteil des Tages damit zugebracht, dass sie ihre Näschen hochmütig in die Luft gereckt hatten, um zu zeigen, dass sie mit ihren zwölf und zehn Jahren zu alt und erhaben waren, um alberne Kleinkinderspiele zu unternehmen. Nur der gutmütige Hammish hatte Bannors verzweifelte Versuche, die Gören zu unterhalten, mit Applaus quittiert. Vor allem der Krieg zwischen den Spielzeugsoldaten, die Bannor aus grünen Äpfeln und Zweigen gebastelt hatte, hatte es ihm angetan. Bis er am Ende die ganze französische Armee verschlungen und anschließend fast eine Stunde stöhnend und würgend, von seinem Vater gehalten, über einer der Toiletten verbracht hatte. Bannor erschauderte.
Zumindest waren ihm Desmonds beständige Sticheleien erspart geblieben, dachte
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