Rebellion des Herzens
auch warten, bis sie sicher war, ob sie nun ein Kind bekam oder nicht. Auch dann hätte sie noch eine Woche Zeit, darüber nachzudenken, wie sie ihm erklären sollte, daß sie nicht die Absicht hatte, ihm seine Freiheit zurückzugeben.
Sie hatten die Stadt schon beinahe verlassen, als Cassie den Mann sah. Er stand, zusammen mit zwei anderen Männern, vor einem von Cheyennes anrüchigeren Saloons. Sie starrte ihn an, rieb sich die Augen, sah noch einmal hin und konnte es immer noch nicht glauben.
»Ich glaube, ich sehe ein Gespenst, Mama.«
Catherine drehte sich um und blickte in dieselbe Richtung, konnte jedoch nichts Ungewöhnliches entdecken. »Unfug«, stellte sie kurz und bündig fest.
»Aber dieser Mann da drüben, der größere von den Kerlen«, sagte Cassie mit zitternder Stimme. »Er ist tot. Angel hat ihn in Texas getötet. Er hatte auch eine Kugel von mir im Leib.«
»Dann ist er vielleicht nicht gestorben.«
»Aber man hat ihn beerdigt.«
»Dann ist es einfach jemand, der ihm ähnlich sieht«, wandte Catherine vernünftig ein.
»Das sprichwörtliche Ebenbild?«
»Du hast ihn nicht aus der Nähe gesehen, Baby«, beschwichtigte Catherine sie. »Sonst hättest du sicher festgestellt, daß du dich geirrt hast. Tote kommen nicht zurück.«
Cassie sank das Herz in die Kniekehlen, als einer der Männer plötzlich auf sie zeigte. Sie erkannte ihn. Es war jemand, den sie schon häufig in der Stadt gesehen hatte, obwohl sie seinen Namen nicht wußte. Und er zog sich auch sofort zurück, nachdem er auf sie gezeigt hatte. Die beiden anderen Männer waren stehengeblieben und erwiderten jetzt ihren Blick.
Nur mit Mühe brachte sie überhaupt eine Antwort zustande: »Ich weiß, daß Tote nicht zurückkehren, aber – aber er ist es, Mama. Diesen Mann würde ich niemals vergessen. Er ist eines Nachts in Caully in mein Zimmer eingebrochen und hätte mich vergewaltigt, wenn Marabelle nicht rechtzeitig Angel herbeigeholt hätte. Das ist auch der Grund, warum Angel ihn herausgefordert und erschossen hat.«
Catherine hätte beinahe die Zügel wieder angezogen. »Wie kommt es, daß dein Vater mir davon nichts gesagt hat?«
»Weil ich es ihm nicht erzählt habe.«
»Was hast du ihm denn sonst noch alles nicht erzählt?«
Jetzt war ihre Mutter eindeutig wütend, so daß Cassie nun auch ein Ausweichmanöver startete. »Nichts, woran ich mich erinnern könnte.«
Catherine schnaubte nur verächtlich. »Wie dem auch sei, über diesen Kerl da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Er ist ganz bestimmt nicht tot. Wenn überhaupt, ist er vielleicht ein Zwillingsbruder von dem anderen.«
»Noch ein Slater?« sagte Cassie stöhnend. »Ein Slater allein war schon einer zuviel.«
38
Es war fast dunkel, als sie nach Hause kamen, aber das hielt Cassie nicht davon ab, ihr Pferd zu satteln und auszureiten. Das tat sie natürlich ohne das Wissen ihrer Mutter. Nur der alte Mac, der die Stuart-Pferde versorgte, sah sie. Sie bat ihn, ihrer Mutter zu erklären, daß sie den Wunsch nach einem schnellen Ritt vor dem Dinner verspürt hätte -falls ihre Mutter überhaupt fragte. Wenn sie sich beeilte, konnte sie vielleicht zurück sein, noch bevor Catherine auf die Idee kam, nach ihr zu suchen.
Sie wollte wieder nach Cheyenne.
Der Anblick dieses Mannes, der das reinste Abbild von Rafferty Slater war, hatte sie nicht nur schockiert, er hatte sie auch den ganzen Heimweg über mit Sorge erfüllt. Ihre Mutter hatte unzweifelhaft recht. Er konnte Slaters Bruder sein, höchstwahrscheinlich sogar sein Zwillingsbruder. Und sein Erscheinen in Cheyenne, wo sowohl sie als auch Angel lebten, war ein zu großer Zufall für ihren Seelenfrieden.
Selbst wenn er nicht hier war, um sich für den Tod seines Bruders zu rächen, mußte sie Angel dennoch vor ihm warnen. Rafferty hatte versucht, Angel von hinten zu erschießen, und solche schmutzigen Tricks konnten in der Familie üblich sein. Auf jeden Fall würde sie kein Risiko eingehen, nicht, wenn es um Angel ging. Sie war nicht bereit, ihn an einen unbedeutenden, hinterhältigen Feigling zu verlieren, nachdem sie gerade beschlossen hatte, ihn für sich zu behalten.
Cassie erreichte Cheyenne schneller als jemals zuvor, aber es war trotzdem bereits dunkel, als sie in die Stadt kam, und die Wolken, die den ganzen Tag über am Himmel dahingetrieben waren, verdeckten den Mond, so daß
sie für den Rückweg mit Sicherheit länger brauchen würde.
Vielleicht schaffte sie es auch überhaupt nicht
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