Rebellion des Herzens
mehr, rechtzeitig zum Dinner nach Hause zu kommen, aber darüber, wie sie das ihrer Mutter erklären sollte, würde sie erst nachdenken, wenn es soweit war.
Sie wußte, wo sie Angel finden konnte. Es war allgemein bekannt, daß er in Agnes' Gästehaus abstieg, weil die alte Dame ihn so gerne hatte, daß sie sein Zimmer niemals an einen anderen Gast vermietete, selbst wenn er manchmal monatelang nicht in der Stadt war. Ob er sich allerdings gerade jetzt dort aufhielt, war eine andere Frage. Sie hoffte, sie würde nicht lange auf ihn warten oder die ganze Stadt nach ihm absuchen müssen, sollte sich das jedoch als notwendig erweisen, würde sie auch davor nicht zurückschrecken.
Entschlossen band sie ihre Stute vor dem Gästehaus fest. Nur ein gedämpftes Licht aus einem Wohnzimmerfenster erleuchtete die Veranda, aber es war genug, um zu verhindern, daß sie auf den Stufen, die zur Tür hinaufführten, ins Stolpern geriet. Cassie kam jedoch nicht besonders weit.
»Keine Bewegung, junge Dame, nicht bevor ich es Ihnen sage, und geben Sie ja keinen Laut von sich.«
Eine Waffe, die sich in ihren Rücken bohrte, bekräftigte diesen Befehl. Cassie hatte keine Schwierigkeiten, zu erkennen, womit sie es zu tun hatte, obwohl der Stoff ihrer Jacke so dick war. Und ihre eigene Waffe lag zu Hause. Sie nahm sie nie nach Cheyenne mit und hatte auch diesmal keine Zeit damit verschwendet, sie zu holen, bevor sie in die Stadt zurückgeritten war.
Offensichtlich hätte sie das tun sollen, aber sie hatte nicht an irgendwelche Gefahren gedacht, sondern nur daran, Angel rechtzeitig zu erreichen, um ihn zu warnen. Jetzt war es auch zu spät, sich Vorwürfe darüber zu machen, daß sie sich vorher die Veranda von Agnes nicht genauer angesehen hatte. Sie hätte es besser wissen müssen. Eine solche Sorglosigkeit konnte ohne weiteres ein Leben kosten, und es war durchaus möglich, daß sie das nun am eigenen Leibe erfahren würde.
Eine Hand auf ihrer Schulter drehte sie um, so daß die Waffe jetzt auf ihren Bauch gerichtet war. Sie hatte gleich das Gefühl gehabt, daß sie ihren Angreifer kennen würde, und so war es auch.
»Nett von Ihnen, zurück in die Stadt zu kommen und die Sache für mich zu erleichtern.«
Sie ging nicht auf diese Bemerkung ein. Sie kannte ihn, fragte aber dennoch: »Wer sind Sie?«
»Man nennt mich Gaylen«, sagte er. »Und meinen Nachnamen wissen Sie ja, oder? Man vergißt nicht so leicht jemanden, bei dessen Ermordung man mitgewirkt hat.«
Cassie wurde ziemlich blaß, obwohl ihr gesunder Menschenverstand sie dazu zwang, der Sache auf den Grund zu gehen: »Sie sind nicht Rafferty.«
»Natürlich nicht, aber niemand konnte uns je auseinanderhalten, also ist es doch dasselbe, was? Wenn Sie mich ansehen, ist es genauso, als sähen Sie den Mann, den Sie getötet haben.«
Es würde wohl nicht viel nützen, wenn sie ihm sagte, daß Rafferty das verdient hatte. »Was wollen Sie?«
»Ich wollte mich eigentlich zuerst um diesen Angel kümmern, und nachher erst um Sie, aber jetzt, da ich Sie nun schon einmal habe, werde ich darüber nachdenken. Kommen Sie. Ich habe mein Pferd hinter dem Haus festgebunden.«
Die Hand, die wie ein Schraubstock ihren Hals umspannte, und seine Waffe ließen ihr keine andere Wahl, als mit ihm zu gehen. Sie dachte darüber nach zu schreien, verspürte jedoch nicht die geringste Lust, für diesen Versuch erschossen zu werden. Und er würde nicht zögern zu schießen. Es war eine dunkle, mondlose Nacht, und hinter dem Gästehaus war nichts als offene Prärie. Er wäre außer Sichtweite, noch bevor der Pulverdampf verflogen war, und sie wäre dann nicht mehr am Leben gewesen, um zu sagen, wer das getan hatte. Er setzte sie vor sich auf sein Pferd. Seine Waffe behielt er in der Hand, so daß sie es auch nicht in Erwägung zog, hinunterzuspringen. Sie ritten hinaus in die Prärie, und er trieb sein Pferd auf die Gebirgsausläufer im Osten zu.
Es dauerte beinahe fünf Stunden, bis er die kleine, nur einen einzigen Raum umfassende Hütte fand. Cassie hatte das Gefühl, daß er irgendwann vom Weg abgekommen und in den vergangenen zwei Stunden umhergeirrt war. Aus dem Schornstein stieg Rauch auf. Ein zweites Pferd stand in dem Schuppen neben der Hütte. Als sie es sah, erinnerte sie sich auch daran, daß er früher am Tag einen Freund bei sich gehabt hatte.
Gaylen drängte sie in die Hütte, und sie sah, daß dieser Freund in seinem Bettzeug zusammengerollt vor dem Feuer schlief. Gaylen machte
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