Rebellion des Herzens
nicht in den Sinn gekommen. Und sie wünschte, Gaylen hätte sie auch jetzt nicht darauf aufmerksam gemacht, denn mit diesem Wissen überfiel sie ein elendes Gefühl der Angst. Würde ihre Mutter sich daran erinnern, daß sie Raffertys Bruder in der Stadt gesehen hatte und die richtigen Schlüsse daraus ziehen? Und wenn es so wäre, würde sie den Zwischenfall Angel gegenüber erwähnen?
Cassie mußte irgend etwas tun, aus der Hütte fliehen oder sich sonst irgendeine Möglichkeit ausdenken, Angel zu warnen. Wenn ihr von Gaylen nicht die Hände hinter dem Rücken festgebunden worden wären, hätte sie sich zu ihm hinüberschleichen und ihn mit einem der Holzscheite, die neben dem Feuer aufgestapelt waren, bewußtlos schlagen können.
Aber so schien ihre einzige Hoffnung im Augenblick darin zu bestehen, Gaylen zu veranlassen, das Ganze noch einmal zu überdenken. Doch als sie ihn mit unter dem Kopf verschränkten Armen da liegen sah, mit einer so friedlichen Miene, als wäre es nicht ausgerechnet Mord, was er im Sinn hatte, da schwand auch ihr letztes bißchen Optimismus.
Wenigstens mußte sie es versuchen. »Würden Sie einen Mann töten, der versucht hat, Sie hinterrücks zu erschießen, Slater?«
»Natürlich würde ich das.«
»Nun, das ist auch der Grund, warum Angel Ihren Bruder erschossen hat.«
»Lady, ich habe gehört, was da unten los war. Dieser Mann da, Angel, hat nach meinem Bruder gesucht, um ihn zu töten. Und es ist allgemein bekannt, daß er schneller ist als der Blitz. Rafe wäre so oder so gestorben, also war das, was er versucht hat, seine einzige Chance, so sehe ich es jedenfalls. Oder wollen Sie mir vielleicht sagen, daß dieser Engel des Todes nicht darauf aus war, ihn zu töten?«
Das konnte sie wohl kaum tun. »Ihr Bruder hat versucht, mich zu vergewaltigen. Deshalb wollte er ihn töten.«
Als er sie jetzt wieder ansah, zeigte er zum ersten Mal einen Anflug von Gefühl. Es war Überraschung. »Ach du Schande, weshalb wollte er das denn? Sie sehen doch nicht einmal besonders gut aus.«
Verlegenheitsröte stieg in Cassies Wangen. »Das ändert nichts an der Tatsache.,.«
»Selbst wenn er Sie vergewaltigt hätte«, unterbrach er sie, »wäre das noch lange kein Grund gewesen, ihn zu töten.«
Bei dieser Einstellung würde er nie zugeben, daß sein Bruder vielleicht das verdient hatte, was ihm zugestoßen war, daher änderte sie ihre Taktik. »Sie werden damit nicht durchkommen. Wenn es Ihnen gelingt, Angel zu töten, werde ich Sie höchstpersönlich zur Strecke bringen. Es wird keinen Ort geben …«
Wieder einmal schnitt er ihr das Wort ab. »Lady, was bringt Sie auf die Idee, daß Sie lebendig hier rauskommen werden? Der einzige Grund, warum Sie noch nicht tot sind, liegt darin, daß dieser Revolverheld Sie vielleicht sehen will, bevor er nahe genug herankommt, daß ich ihn erschießen kann. Sie sind der Grund dafür, daß er Rafe getötet hat, also müssen Sie sterben, genauso wie er.«
Wahrscheinlich glaubte er, damit hätte er ihr den Mund gestopft. Das wäre ihm auch beinahe gelungen. »Sie – Sie werden trotzdem nicht ungeschoren davonkommen. Ich habe Sie gestern in der Stadt gesehen und habe es meiner Mutter erzählt. Sie ist klug genug, herauszufinden, daß Sie es waren, daher wird der Name Slater in jedem Staat hier und im Westen auf Wanted-Plakaten stehen. Sie werden keinen Augenblick Ruhe mehr finden, wenn Sie uns ermorden.«
»Dann werde ich das Land eben verlassen«, erwiderte er schulterzuckend. »Das wird mich nicht im geringsten stören. Aber Sie stören mich, also seien Sie endlich still, Mädchen, bevor ich Ihnen etwas in den Mund stopfe. Ihre Leute können das Geld erst holen, wenn morgen früh die Bank aufmacht, dieser Revolverheld wird also nicht vor Mittag hier auftauchen. Vorher brauche ich noch etwas Schlaf.«
Cassie entschied sich dagegen, ihm mitzuteilen, daß Ihre Mutter hinter ihm her sein würde, ganz egal, wohin er ging. Seine Antwort würde vermutlich darin bestehen, daß er dann eben auch sie töten müsse.
Also gab sie es für den Augenblick auf. Morgen früh blieb ihr immer noch etwas Zeit, um ihn ein wenig zu bearbeiten, ihn und auch seinen Freund Harry. Der kleinere Mann war gewiß leichter einzuschüchtern; vielleicht konnte er Slater zur Vernunft bringen.
Aber sie hatte keine Lust, ihm das letzte Wort zu überlassen. »Ich habe Hunger«, beklagte sie sich.
»Ich verschwende kein Essen an eine tote Frau.«
Danach überließ sie ihm nun
Weitere Kostenlose Bücher