Rebellion des Herzens
denn wirklich nicht aufhören, solange sie im Vorteil sind?«
»Wie kommen Sie auf die Idee, ich wäre im Vorteil?«
»Wir werden beide bald von hier verschwinden. Die Ranch steht noch, Ihre Knochen sind noch immer heil, und ich habe nur einen einzigen Mann töten müssen. Nach meiner Rechnung liegen Sie damit eindeutig vorn. Also warten Sie mit Ihren Einmischungen, bis Sie nach Hause kommen, wo Ihre Mutter mit den Schwierigkeiten, die Sie verursachen, fertig werden kann. Ich wette, sie ist daran gewöhnt.«
Cassie ging auf ihn zu. Ihr juckte es in den Fingern, ihm eine Ohrfeige zu geben, aber sie blieb nur vor ihm stehen, um zornig auf ihn hinabzublicken. »Ich habe Sie nicht hergebeten, wie Sie sich gewiß erinnern. Tatsache ist, ich erinnere mich daran, Sie zum Weggehen aufgefordert zu haben. Und da meine Nachbarn sich seit einiger Zeit ruhig verhalten, sehe ich keinen Grund, warum Sie noch länger hier herumlungern sollten.«
»Meinen Sie?«
»Ich würde sagen, Sie haben erledigt, weshalb Sie hergekommen sind, und jetzt sollten Sie darüber nachdenken, zu verschwinden – vorzugsweise noch heute.«
»Wer hat Sie eigentlich nach Ihrer Meinung gefragt?«
Während er ihr diese Worte entgegenknurrte, stand er auf und zwang sie dazu, ein paar Schritte rückwärts zu gehen, wenn sie ihm weiter in die Augen sehen wollte. Im Augenblick verspürte sie jedoch nicht den Wunsch danach, da kein Zweifel daran bestand, daß sie ihn mehr als nur ein wenig verärgert hatte. Und er war noch nicht fertig.
»Ich bleibe, Cassie. Nicht, bis Ihr Vater zurückkommt, sondern bis Sie Ihre Sachen gepackt und dieses Land verlassen haben. Das kann für meinen Geschmack nicht bald genug passieren, aber vorher – keine Einmischungen mehr. Haben Sie mich verstanden?«
Cassie war überrascht, daß sie mehr als nur ein Nicken zustande brachte. »Ja, ziemlich genau. Ich hätte wissen müssen, daß Sie kein Verständnis für meine Situation aufbringen können oder auch nur ein bißchen Mitleid mit diesen beiden jungen Leuten empfinden würden, die einander zufällig lieben. Dafür müßten Sie ja ein Herz haben …«
Sie ließ es dabei bewenden, drehte sich um und verschwand. Er sah ihr voller Belustigung über ihren Schneid nach. Immer wenn er es am wenigsten erwartete, brach sich plötzlich ihre Courage Bahn. Wenn ihm das nicht besonders gut an ihr gefiel!
»Oh, ich habe sehr wohl eines, Schätzchen«, sagte er sanft. »Glücklicherweise ist die Schale drumherum so hart, daß Sie sie nicht zerbrechen können.«
20
Cassie hatte es, so lange es nur ging, vor sich hergeschoben, noch einmal mit Angel in die Stadt zu fahren, aber nun kam sie nicht mehr darum herum. Ihr Vater liebte keine Überraschungen, daher würde er ihr seine genaue Ankunftszeit sicher mitteilen. Ein Telegramm hätte man ihr zur Ranch herausgebracht, aber ein Brief würde so lange in der Stadt liegenbleiben, bis sie dazu kam, ihn abzuholen. Das hieß, daß sie in die Stadt mußte, und Angel war immer noch nicht bereit, sie allein dort hinzulassen.
Da es nur noch wenige Tage bis Weihnachten waren, mußte sie außerdem einige Einkäufe tätigen. Auch das war ein trostloser Gedanke. Sie hatte sich immer auf diesen Feiertag gefreut, doch dieses Jahr würde es anders sein, denn wenn es keine weiteren Verzögerungen gab und ihr Vater in den nächsten Tagen zurückkehrte, konnte sie nicht das Risiko eingehen, ihren Besuch hier auch noch über die Feiertage auszudehnen. Es würde das erste Weihnachtsfest sein, das sie nicht zumindest mit einem Elternteil verbrachte. Wahrscheinlich würde sie an diesem Tag allein in einem Zug oder einer Postkutsche sitzen und nach Norden fahren. Das war es jedoch nicht, worüber sie an jenem Nachmittag auf ihrem Weg nach Caully nachdachte. Als sie sich nach Jennys Besuch vor drei Tagen auf so unerfreuliche Weise mit Angel gestritten hatte, war es ihr plötzlich mit aller Macht bewußt geworden, daß er bald aus ihrem Leben verschwinden würde, sehr bald, und daß sie ihn dann wahrscheinlich niemals wiedersehen konnte. Sie mochten zwar aus derselben Gegend von Wyoming stammen, aber in all den Jahren, die er in der Nähe von Cheyenne verbracht hatte, waren sie einander auch nicht begegnet. Es gab also keinen Grund zu glauben, daß sich in dieser Hinsicht irgend etwas ändern würde, wenn sie jetzt nach Hause zurückkehrte.
Und selbst wenn sie ihn eines Tages zufällig in Cheyenne treffen sollte, würde Angel wahrscheinlich auf die andere
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