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Rebus - 09 - Die Sünden der Väter

Rebus - 09 - Die Sünden der Väter

Titel: Rebus - 09 - Die Sünden der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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bloß nicht zu nah, Bill«, sagte Rebus. »Die, die mir am nächsten stehen, erwischt's zuerst.« Von der Pforte kam ein Anruf, jemand sei für ihn da. Er ging hinunter. Es war Patience Aitken.
    »Patience?«
    Sie war zwar vollständig angezogen, nur nicht in der richtigen Reihenfolge, so als hätte sie sich die Sachen während eines Stromausfalls übergestreift.
    »Ich hab's im Radio gehört«, erklärte sie. »Ich konnte nicht schlafen, deswegen hatte ich das Radio an, und da kam die Meldung von dem Polizeieinsatz und dass es Tote gegeben hätte... Und du warst nicht zu Haus, also hab ich...«
    Er umarmte sie. »Mir ist nichts passiert«, flüsterte er. »Ich hätte dich anrufen sollen.«
    »Es ist meine Schuld, ich...« Sie hielt inne. »Du warst da, ich sehe es dir an.« Er nickte. »Was ist passiert?«
    »Ich hab einen Freund verloren.«
    »O Gott, John.« Sie umarmte ihn wieder. Ihr Haar roch nach Shampoo, ihr Hals nach Parfüm. Die mir am nächsten stehen ... Er löste sich sanft von ihr, gab ihr einen Kuss auf die Wange.
    »Geh ein bisschen schlafen«, sagte er.
    »Komm zum Frühstück.«
    »Ich will bloß nach Hause und schlafen.«
    »Du könntest bei mir schlafen. Es ist Sonntag. Wir könnten im Bett bleiben.«
    »Ich weiß nicht, wann ich hier fertig sein werde.«
    Sie sah ihm in die Augen. »Friss es nicht in dich hinein, John. Behalt nicht alles für dich.«
    »Okay, Doc.« Er gab ihr erneut einen Kuss auf die Wange. »Jetzt zisch ab.«
    Er brachte ein Lächeln und ein Zwinkern zustande, die sich beide wie Verrat anfühlten. Er stand an der Tür und sah ihr nach. Während seiner Ehe hatte er häufig daran gedacht, einfach zu gehen. Es gab Gelegenheiten, wo die ganze Verantwortung und die Verpflichtungen und die Scheiße in der Arbeit und der Druck und der innere Drang ihm nichts so verlockend erscheinen ließen wie die Flucht.
    Jetzt spürte er wieder diese Versuchung. Einfach die Tür öffnen und losgehen, weg von hier , und irgendwas machen, bloß nicht das . Aber auch das wäre Verrat gewesen. Er hatte Rechnungen zu begleichen, einen triftigen Grund, sie zu begleichen. Er wusste, dass Telford sich hier irgendwo in dem Gebäude befand, wahrscheinlich gerade mit Charles Groal konferierte und ansonsten schwieg. Er fragte sich, wie die Jungs die Sache wohl anpacken wollten. Wann würden sie Telford von der Bandaufzeichnung erzählen? Wann würden sie ihm sagen, dass der Wachmann ein verdeckter Ermittler gewesen war? Dass ebendieser Mann jetzt tot war?
    Er hoffte, dass sie es geschickt anstellten. Er hoffte, dass sie es schafften, Telford nervös zu machen.
    Er konnte nicht umhin, sich wieder einmal zu fragen, ob es das alles überhaupt wert war. Manche Bullen betrachteten das Ganze als Spiel, andere wie einen Kreuzzug, aber für die meisten war es keins von beidem, sondern lediglich ein Weg, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Er fragte sich, warum er Jack Morton zum Mitmachen aufgefordert hatte. Antworten: Weil er einen Freund dabeihaben wollte, jemanden, durch den er selbst im Spiel bleiben würde; weil er dachte, Jack langweile sich und würde sich über die Herausforderung freuen; weil sie aus taktischen Gründen einen Außenstehenden gebraucht hatten. Es gab jede Menge Grande. Claverhouse hatte gefragt, ob Morton Familie habe, ob man jemanden informieren müsse. Rebus hatte ihm gesagt: geschieden, vier Kinder.
    Gab Rebus Claverhouse die Schuld? Hinterher war man immer klüger, aber andererseits stand Claverhouse in dem Ruf, immer schon vorher klüger zu sein. Und er hatte versagt ... gewaltig versagt.
    Eisglatte Straßen: Sie hätten das Tor schließen müssen. Bei der PS-Leistung, die einem Laster zur Verfügung stand, war die Blockade viel zu leicht zu beseitigen gewesen.
    Scharfschützen im Gebäude: schön und gut im abgeschlossenen Werksgelände, aber sie hatten es nicht geschafft, den Laster zu blockieren, und als er zurücksetzte, waren sie praktisch nutzlos.
    Weitere bewaffnete Beamte hinter dem Lastwagen: zu nicht viel mehr gut, als die Gefahr eines Kreuzfeuers heraufzubeschwören.
    Claverhouse hätte sie dazu bringen müssen, den Motor auszuschalten oder, besser noch, darauf zu warten, dass sie ihn von sich aus ausschalteten, bevor er sich bemerkbar machte. Jack Morton hätte den Kopf unten halten sollen.
    Rebus hätte ihn warnen sollen.
    Nur - ein Schrei hätte die Aufmerksamkeit der Gangster auf ihn gelenkt. Feigheit: Lief es letztlich darauf hinaus? Schlichte menschliche Feigheit.

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