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Rechnung offen

Rechnung offen

Titel: Rechnung offen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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Fleck, so, dass er ihn verdeckte, rührte in der Tasse, der Espresso hatte aufgehört zu dampfen. Ein blubberndes Geräusch ließ ihn zur Seite blicken. Sie pustete in den Strohhalm, Blasen stiegen in der braunen Flüssigkeit auf, zerplatzten an der Oberfläche, die Kohlensäure zischte. Sie hörte erst auf, als der Schaum den Flaschenhals hinaufgestiegen war, beobachtete, wie der Blasenturm langsam wieder zusammensank. Sah zu ihm hin, als wolle sie sich vergewissern, dass er zugesehen hatte.
    »Wo kommst du her?«
    »Kreuzberg«, sie legte den Daumen auf die Trinköffnung des Strohhalms, zog ihn aus der Flasche und hielt ihn vor sich hin. Hob den Finger, braune Flüssigkeit rann aus dem Röhrchen, sie tropfte einen akkuraten Kreis auf die Pflastersteine. Nicolai schwieg.
    »Mexiko«, sie pipettierte einen zweiten Kreis neben den ersten, »Stadt«, sagte sie, »Ciudad de Mexico.«
    »Du arbeitest hier«, er zeigte auf die Schürze.
    Sie presste die Knie zusammen, strich den Stoff mit beiden Händen glatt. Beugte sich vor, betrachtete eine Verkrustung genauer, makellos rot pulten ihre Nägel an irgendetwas Hellem. »Ei.« Sie hielt die Kuppe ihres Zeigefingers vor ihn hin, ein gezacktes Stück Schale klemmte unter dem Nagel, sie schnippte es weg. »Ich habe das Frühstück gemacht.«
    Nicolai musste aufstoßen, drehte das Gesicht zur Seite.
    »Und sonst?«
    Sie betrachtete weiter ihre Schürze, deutete auf einen hellroten Streifen. »Tomate.« Auf feuchtes Grün. »Basilikum.« Auf orangefarbene Tropfen. »Frisch gepresster O-Saft . Butter oder Käse.« Sie zeichnete mit den Fingern den unregelmäßigen Umriss einer großen hellbraunen Insel nach. »Milchkaffee, Reste aus den Tassen, vom Maschineeinräumen.«
    Er könnte ihr den Gefallen tun und lächeln. Er könnte den Espresso trinken, eins zwanzig auf den Tisch tun und gehen. Vor der Haustür warten oder morgen wiederkommen. Die andere Straßenseite war sonnenbeschienen, Nicolai dachte an die schwarze Wolke, legte eine Hand auf seinen Magen, hatte keine Lust, fragte dennoch, präziser, in Ordnung.
    »Was machst du sonst? Wenn du nicht hier arbeitest?«
    »Ich bin Künstlerin«, sagte sie, sagte es, als würde sie verkünden, sie könne fliegen.
    Er zog sein Portemonnaie hervor, »was kostet der Espresso, eins zwanzig?«, legte die Münzen auf den Tisch und wollte aufstehen.
    »Du hast noch Kaffee«, sie zeigte auf die Tasse. »Ich kann dir einen neuen holen, falls er nicht mehr warm ist.«
    Nicolai schüttelte den Kopf.
    »Was machst du hier?« Sie war ebenfalls aufgestanden.
    »Meine Großmutter wohnt dort«, er deutete mit dem Kinn in Richtung des Hauses.
    Sie sah die Fassade hoch, »Omi besuchen. Wie artig«, streckte ihre Hand aus, strich durch die Luft, als würde sie seinen Kopf tätscheln.
    Klein war sie.
    »Wie heißt du«, fragte er, die Augen gegen die Sonne zugekniffen.
    »Camille.«
    Sie fing einen Flipflop mit den Zehen ein, schob sie in die Schlaufe und ging in die Dunkelheit des Cafés.
    ***
    »Nächster Halt Frankfurt Main Hauptbahnhof«, wurde über Lautsprecher angesagt, Claas stellte sich in den Gang, in die Schlange vor den Türen. Der Zug wurde langsamer, die Sonne spiegelte sich in unzähligen Scheiben, der Main floss braun, darüber in kurzen Abständen landende Flugzeuge. Sie zogen ihre Handys hervor, sahen nicht raus, schrieben Textnachrichten.
    Im Bahnhof, Wandelhalle stand in Neonbuchstaben über den kleinen Läden, fand er ein Koffergeschäft.
    »Die Tasche nervt«, sagte er, voll und verspätet seien die Züge, er entschied sich für einen graphitfarbenen Samsonite. Die Verkäuferin versuchte, die Tasche zusammenzulegen, wollte sie in eine Papiertüte schieben, die Tasche leistete Widerstand. »Schmeißen Sie die weg«, sagte Claas, »ich brauche sie nicht mehr.«
    »Ich habe hier Raucherzimmer stehen«, die Rezeptionistin, blonder, strenger Pferdeschwanz, wenig Lippenstift, hatte seinen Personalausweis genommen, seine Daten eingegeben. »Haben wir nicht«, antwortete sie, ohne aufzusehen, als Claas um ein anderes Zimmer bat.
    Tula hatte sich um das Hotel gekümmert, ein Seitenhieb in Sachen Impulskontrolle, dachte er, Unsinn, dachte er.
    Die Klimaanlage brummte unregelmäßig, das Zimmer roch nach Zigaretten, Aschepartikel in der Luft, er suchte eine Weile, bis er den Ausschalter an der Wand über dem Bett fand. Öffnete das Fenster, Ascheflecken auf der sich blähenden Synthetikgardine, grau und rund.
    Auf dem Schreibtisch stand eine

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