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Rechnung offen

Rechnung offen

Titel: Rechnung offen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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fragte sich, ob sie überhaupt bemerkte, dass er keinen Muskel gerührt hatte. Dastand im Neonlicht der Ankunftshalle, mit hängenden Armen. Vor dem Eingang eines geöffneten Krawattenladens, neben ihm ein jaulender, sich um die eigene Achse drehender Dackel, der vor Freude Urintropfen auf den graumelierten Boden machte.
    »Fährst du mich nach Hause?«, Theresa deutete auf die beiden Koffer, Kalbsleder, gemeinsam in Prag gekauft.
    »Warum«, fragte Claas, als er zwischen den Betonpfeilern des Parkhauses durchfuhr, unverputzte Wände im Scheinwerferlicht.
    »Ich bin müde.« Theresa hatte ihre Schuhe ausgezogen, ihre bloßen Füße auf den Sitz gestellt. »Wie geht es Ebba?«
    »Wie soll es ihr gehen?«, Claas fuhr aus dem Parkhaus.
    »Hat sie die Ergebnisse?«
    »Welche Ergebnisse?«
    »Von ihrer Abschlussprüfung«, Theresa verdrehte die Augen.
    »Keine Ahnung«, Claas hielt an einer roten Ampel. Und ich, wollte er fragen, Theresa nahm ihr Telefon aus der Tasche, er hörte die Pieptöne, als sie den Pin eingab. Er umfuhr die Siegessäule, eine Serie Pieptöne, er sah zu ihr rüber. Friedrich, dachte er, sie schreibt Friedrich und meldet Vollzug. Claas entsorgt, wir sehen uns morgen. Er könnte sein Fenster öffnen, sich zum Beifahrersitz beugen, ihr das Telefon aus der Hand nehmen und es hinauswerfen. Sah es auf dem breiten Asphalt des 17. Juni aufschlagen, kleine Teile absplittern.
    »Ich grüß Ebba von dir«, sagte Theresa.
    Er hatte ihr nichts vorwerfen können.
    Mit »für mich bedeutet Sex was anderes als für dich« hatte er es versucht. »Nein, nicht weil du eine Frau bist«, Claas hatte eine Hand gehoben, ihr die Innenfläche entgegengestreckt, dem geöffneten Mund, ihre Brauen berührten einander beinahe, »niemand ist unabhängig von seiner Sozialisation«, hatte er gesagt, »die katholische Prägung deiner Kindheit.« Da hatte Theresa sich bereits umgedreht. »Wie hieß die Aushilfe noch mal, ach ja, Katja«, sie brüllte gegen die Flurwände, ihre Füße stampften auf die Dielen, »und die Pharmafrau. Und die nette Kollegin aus München, wie oft hast du dich mit der getroffen? Wir sollten einander nicht im Weg stehen, ja?« Sie war wieder aus der Küche gekommen, hatte ihre Arme ausgebreitet, »du bist ein Klischee, du bist so ein Klischee.« Hatte ihn über die Länge des Flures angestarrt, er hatte noch immer neben dem Bett gestanden.
    Friedrich war lächerlich, seine Verlegenheit, seine Scham. Ganz still war er geworden, als Claas sich zu ihm und Theresa gestellt hatte. Es war Professor Herzbergers fünfzigster Geburtstag gewesen. Friedrich hatte sich entschuldigt, war aus dem Wohnzimmer gegangen, schließlich hatte Claas ihn gesucht. Friedrich stand auf der Terrasse, so, dass er von drinnen nicht zu sehen war, er hatte einen Fuß auf einen beiseitegeschobenen Schirmständer gestellt, das Plastik sehr weiß im Dunkel, die Hand mit dem Whiskyglas, pur natürlich, auf dem Knie aufgestützt. Hatte die Lichtsprenkel auf den Büschen angestarrt. »Wir haben ein Einverständnis, Theresa und ich«, hatte Claas gesagt, war langsam näher getreten, Sand hatte unter seinen Schuhsohlen geknirscht. »Hat sie dir das nicht erzählt?« Friedrich hatte hinabgesehen in sein Glas, nicht gewusst, was er erwidern sollte. »Ich freue mich für Theresa«, hatte Claas gesagt, »nicht so verstockt, alter Knabe.«
    Claas schaltete den Motor ab, Theresa rührte sich nicht, den Schlüssel ließ er stecken, öffnete die Tür und sah nicht zum Beifahrersitz.
    »Ich hol nur mein Fahrrad«, sagte er.
    »Du kannst das Auto haben«, hörte er sie sagen und »du musst nicht heute ausziehen«.
    Claas schlug die Tür zu, das Fahrrad stand im Hinterhof, der Schlüssel hing am Brett in der Küche. Er ließ die Haustür hinter sich zufallen, war bereits oben angelangt, als er Theresa unten im Erdgeschoss hörte. Bisher hatte sie ihre Sachen in Kartons gestopft, mit ich gehe gedroht, davon, dass er auszog, war nie die Rede gewesen. Er nahm den Schlüssel vom Haken, überlegte, ob er eine Tasche packen sollte, Theresa schloss leise die Wohnungstür, die Schale schwankte, sie hatte ihren Schlüssel hineingelegt.
    »Wo ist der Helm?«, rief er.
    »An der Garderobe, wie immer. Sei nicht dumm, nimm das Auto.« Theresas Koffer stand neben ihr auf den Dielen, sie betrachtete ihre Handfläche, rote Striemen vom Griff, öffnete und schloss die Finger. »Oder bleib, wie gesagt, es muss nicht heute sein.«
    »Wie großzügig«, entgegnete er.
    Das

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