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Rechnung offen

Rechnung offen

Titel: Rechnung offen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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brüllen, haut ab, wollte sie brüllen. Setzte sich auf, so rasch, dass das Bett knarrte. Konnte man das hören, hinter der Tür stand jemand, sie sah in den Flur, nur getrennt von ihr durch dünnes Holz.
    »Ebba, mach auf. Ich bin’s.«
    Nicht atmen, dachte sie, nicht bewegen, liegen bleiben, aber da stand sie schon neben der Matratze.
    »Claas.«
    Sie sah sich um. Betrachtete den Wäschehaufen vor der offenen Kleiderschranktür, der Schrank fast leer. Den Aschenbecher auf dem Boden neben dem Bett, die Stummel in Lagen aufeinandergeschichtet, die Enden hellgelb, hellblau, weiß, je nachdem, was sie als Filter benutzt hatte. Graue Asche war rundherum verteilt, Kippen, die hinabgefallen waren, sie hasste es, den Ascher zu leeren.
    »Du machst sofort auf!«
    Ebba spürte ihren Puls, am Hals, in den Ohren, hob die graue Jogginghose auf, schob die Füße in die Beinöffnungen. Wäre fast gestürzt, vornüber, stützte sich mit der Hand am Schreibtisch ab, das benutzte Geschirr, das sie darauf zusammengetragen hatte, stieß leise aneinander. Ihr Pullover war fleckig, Asche und Bolognesesoße, sie nahm ein gelbes Shirt aus der Kommodenschublade, das Pappetikett schlug gegen ihre Stirn, als sie es über den Kopf zog.
    »Was ist«, brüllte sie, Oberkörper vorgebeugt, Arme nach hinten gestreckt in Richtung Flur.
    »Ebba.«
    Sie stampfte, so laut sie konnte, zog an dem Pappetikett, der T-Shirt-Saum schnitt in ihren Hals, bis die Öse riss, sie hielt das Etikett noch in der Hand, als sie die Tür öffnete.
    »Es riecht«, Claas sog tief Luft ein.
    »Was machst du hier?«
    »Theresa und ich brauchen Abstand, ich wohne hier. Vorübergehend.«
    »Dann geht es dir ja wie mir«, sie musste grinsen, er sah müde aus. »Was meinst du mit hier ?« Ebba drehte sich um, sah sich mit Claas in ihrem Zimmer stehen, neben dem ausgeweideten Kleiderschrank. Er würde den Aschenbecher, das fleckige Laken, das Geschirr auf dem Schreibtisch betrachten und schweigen. Allenfalls er bewerte Verhalten ja nicht sagen und sorgsam achtgeben, nichts zu berühren. Da war nichts zu machen, ein falscher Satz Gene, der sich durchgesetzt hatte unter den Abermillionen Möglichkeiten, ausgerechnet dieser. Ebba stellte sich in den Türrahmen, versuchte ihn auszufüllen, legte ihre Handflächen rechts und links gegen das Holz, als könnte ihn das aufhalten.
    »In der leeren Wohnung im dritten.«
    Er musste seinen Fahrradhelm getragen haben, die Haare, sonst lagen sie lang zu den Ohren hinabgekämmt am Kopf an, waren verrutscht, standen nach hinten ab, ließen weiße Haut frei.
    Sein Haaransatz hatte sich zurückgezogen, statt eine Halbglatze zu kriegen, wie es normal war, oder einen rosakahlen Kreis am Hinterkopf, war der Hautstreifen hinter seinen Ohren immer breiter geworden, die Stirn länger, der Nackenansatz höher, als hätten sich die Haare auf einem Hügel, seinem Hinterkopf, verschanzt. Dort wuchsen sie dicht und überwiegend dunkelbraun. Wenn sie zu kurz geschnitten waren, sah es aus, als würde er eine zu kleine Perücke tragen. Ebba ließ die Hände wieder sinken.
    »Das heißt nicht, dass du einfach bei mir klopfen kannst.«
    »Ich brauche dein WLAN -Passwort.«
    »Bringe ich dir morgen hoch«, sie sah in den Flur, Claas machte einen Schritt nach vorn, als wollte er den Kopf vorstrecken, ebenfalls in die Richtung schauen, hereinkommen gar.
    Sie lehnte sich gegen die Kartons, versperrte ihm die Sicht, die Kartons stapelten sich hüfthoch die Flurwand entlang. Einen Teil hatte sie mit Theresa nach dem Umzug ausgepackt, in den übrigen waren Töpfe, Küchengeräte, die Ebba nicht benutzte. Das Bügeleisen. Ihre alten Stofftiere, Klaviernoten, die Vorhänge, die Theresa für die neue Wohnung genäht hatte.
    »Das aufblasbare Gästebett, das hattest du auch«, sagte Claas.
    Die Luftmatratze war ebenfalls in einem der Kartons.
    »Kaputt«, sagte Ebba, »hatte ein Loch, hab sie weggeschmissen« und »geh ins Hotel« und »ich habe eine Isomatte, die kannst du haben. Ist eh zu kalt, um im Park zu sitzen.«
    Die aufgerollte Matte lehnte am Rahmen der Küchentür, Ebba griff hinter sich, hielt sie vor Claas hin, mit ausgestrecktem Arm, der rote Schaumstoff berührte beinah seine Brust.
    »Noch was?« Sie griff nach dem Türblatt.
    »Geschirr«, sagte er, »du wirst mir wohl einen Teller und Besteck leihen können.«
    »Du bleibst draußen«, sie sah auf die Schwelle.
    Sie ging in die Küche, öffnete den Hängeschrank, er war fast leer, eine Auflaufform,

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