Rechnung offen
wo nachträglich die Kabel verlegt worden waren, rechtwinklig liefen sie zu den Lichtschaltern, den Steckdosen. Wenn die Sonne hereinschien, erinnerten sie ihn an ihren Toskanaurlaub, an Ziegelmauern und verfallene Resthöfe, er hatte damals unbedingt einen kaufen wollen.
Er zog den Mantel an, gab acht, nicht im Vorbeigehen mit der dunklen Hose die restlichen Säcke zu streifen, sie standen noch im Flur, Staub und Putz auf dem blauen Plastik. Er hatte einen Abend damit verbracht, die Tapetenstreifen in sie hineinzustopfen, die Fetzen mit der Kehrschaufel zusammenzutreiben, am Schluss hatte er den Putz von den Dielen gewischt, die Müllsäcke an der Flurwand aufgereiht. Am nächsten Abend hatte er angefangen, sie runterzubringen, in die Mülltonnen im Hinterhof zu werfen, gelb, blau, braun, schwarz, egal.
Er hatte gerade die Hälfte unten, als sie voll waren, die Deckel nicht mehr schlossen. Er hatte zwei weitere Säcke geholt, sie an die Tonnen gelehnt. Die anderen hatten ihren Müll danebengestellt, einige der Tüten waren umgekippt, als er am nächsten Tag nachsehen ging, ob die Tonnen geleert worden waren, Konservendosen hatten verstreut zwischen den Sträuchern gelegen, fettiges Küchenpapier, Joghurtbecher, gleich drei Gefrierbeutel mit Keksen zählte er. Und dann hatte die Müllabfuhr nur die Tonnen geleert, der Rest lag auf den Platten, dem Boden, unter den Büschen verteilt, wie zuvor. Claas hatte seine beiden Säcke in die Tonnen gesteckt, zwei weitere von oben geholt. Hatte einen Zettel geschrieben, das mit dem Müll sei eine Sauerei, und jeder solle seinen Dreck gefälligst selber in die Tonnen schmeißen, gez. der Hauseigentümer . Hatte ihn neben die Briefkästen gehängt, am nächsten Morgen waren nur noch zwei Tesastreifen übrig.
An der Haustür stand ein Junge, er presste sein Gesicht gegen das geriffelte Glas, spähte nach draußen.
»Was hast du hier zu suchen«, fragte Claas, fragte es streng.
Der Junge zuckte, fuhr herum.
»Nichts.«
»Nichts gibt es nicht.«
»Ich wohne hier.«
»Nicht unten im Hausflur.«
Der Junge drückte die Tür auf und zwängte sich hinaus.
Claas betrachtete die drei Reihen Briefkästen, er konnte auf den ersten Blick erkennen, welche geleert wurden und welche nicht. Versuchte, den Namen Wohnungen zuzuordnen und den Wohnungen Kontobewegungen. Sie waren alle kleine Brandenburger.
Der Nachsendeantrag funktionierte. Regierung schnürt Rettungspaket las er beim Herausnehmen auf der Titelseite der Zeitung, er brauchte auch ein Rettungspaket. Dahinter klemmte eine Karte von der Post, Warensendung bei Schrader, 3. OG stand mit Kugelschreiber auf der gepunkteten Linie.
Kleine Lieferwagen, Sprinter, auf den Seiten war Heizung , Sanitär , Gas oder Gerüstbau aufgedruckt, parkten entlang der Promenade. Dazwischen standen große Bauschuttcontainer, stapelweise ragte Holz aus ihnen, wasserfleckige Dielenbretter, altweiß lackierte Leisten. Sich braun kräuselnde Spinnenwebballen hingen an den Kanten und bewegten sich sanft im Luftzug. Strohlagen, mit Putz oder Lehm verklebt, er war nicht sicher, zerbrochene Backsteine, leere Farbeimer, Mörtelsäcke, Fensterrahmenstapel.
Vier eingerüstete Fassaden zählte er, graue rüsselähnliche Plastikschächte hingen an ihnen herab, die Öffnung wenige Meter über einem der Container, die Haustüren standen flügelweit offen. Baulärm drang heraus, schwere Schläge auf Metall, rumpelndes Fallen und Kollern von Putzbrocken, Mauerwerk. Am Samstagvormittag, dachte er, Sonderschichten, mit Wochenendzuschlag oder schwarz.
Vor einem Hauseingang stand eine Traube Menschen, sie hielten Formulare in der Hand, füllten sie gebeugt aus. Auf den Knien, Treppenstufen, an die Hauswand gelehnt, lachend auf den Rücken der neben ihnen Stehenden. Ein Mann im Anzug und mit Namensschild sammelte sie ein, »danke«, sagte er, und »es ist nicht notwendig, dass Sie anrufen, wir melden uns«.
***
Die Brezel hing nicht. Goldlackiert und dickbauchig, die eine Seite mit einem Gestänge an der Hauswand festgeschraubt, ragte sie über den Bürgersteig vor der Bäckerei, gut sichtbar, sobald sie in die Karlsstraße einbog. Geklaut, dachte Elsa, ein Mann kam ihr entgegen, empört sah sie ihn an, er redete in ein Telefon, eine Sprache mit vielen Ch-Lauten, zog die Augenbrauen hoch, als er ihren Blick bemerkte. Erikas Fernseher, sie blieb stehen. Richtig, wie dumm sie geworden war, die Bäckerei war geschlossen, wegen Todesfalls steht auf dem Zettel, der
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