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Rechnung offen

Rechnung offen

Titel: Rechnung offen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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dreimal, viermal, mit Pausen, mehrmals kurz, direkt hintereinander, hatte seinen Finger auf das kleine Plastikviereck gepresst, minutenlang, so kam es ihm vor, und so fest, dass das Viereck sich verkantete, er es mit dem Fingernagel wieder herauspulen musste. Zur Not könnte er sie so aus der Wohnung treiben.
    An der Ecke gegenüber stand ein Stromkasten, auf den könnte er klettern. Er hatte Kaffee gekauft, auf dem Hinweg, zwei Pappbecher, Camille wohnte im Hinterhaus, Gartenhaus stand auf dem Klingelschild, ihre Fenster waren von der Straße aus nicht zu sehen. Sie hatte Spätschicht, er war nach Kreuzberg gefahren, zu dem spanischen Bäcker, hatte drei Natillas gekauft, wollte die weiße Papiertüte vor sie hinhalten, wenn sie aus der Haustür kam, für dich sagen.
    Er könnte bei den Nachbarn klingeln. In den Hinterhof gehen und hochblicken, Ausschau halten nach einer Bewegung, die bewies, dass sie da war. Dass sie Licht im Badezimmer einschaltete oder ein Fenster kippte. Er könnte weitergehen, ins Treppenhaus, vorsichtig die Stufen hinauf, bis zu ihrer Wohnungstür, sie ließ unentwegt Musik laufen, die Dusche müsste zu hören sein, das Bad ging als Erstes von dem kleinen Flur ab.
    Drei Natillas würden nicht reichen, wenn sie ihn dort anträfe. The person you have called is temporarily not available. Seit vier Tagen nichts als dieser Satz, kein Freizeichen, kein plötzliches Besetztzeichen, weil sie ihn wegdrückte, keine Mailbox. Nicolai überquerte die Straße, sah sich mehrfach um, während er zur Kreuzung ging, der Himmel unterschiedlslos grauweiß, keine Wolke auszumachen, keine Anfänge und keine Enden, eine einzige Fläche. Schneien würde es, hatte die Verkäuferin in der Bäckerei gesagt.
    Der Deckel des Stromkastens war mit einer dünnen Eisschicht überzogen, rau sah sie aus, glitzerte im Scheinwerferlicht der vorbeifahrenden Autos. Biss kalt in die bloße Haut, als Nicolai die Handflächen auf sie legte. Er hatte sich aufstützen, hochziehen, auf den Kasten setzen wollen, schob die Hände wieder in die Tasche. Er blickte zur Haustür, nichts rührte sich, selbst die Blätter am Rand des Gehsteigs waren festgefroren, in der Mitte weißer Raureif, die Pfützen starr, mit hellen Kratzern vom Streusand.
    ***
    Ebba hatte es erst nicht bemerkt. Sie war aufgestanden, hatte Kaffee gekocht, sich mit der ersten Tüte an den Rechner gesetzt, versucht, das Logo in ein Word-Dokument zu kopieren. Es gehörte mittig nach oben, nicht zu weit oben, über den Schriftzug Abschlusszeugnis , es ließ sich nicht richtig verschieben, immer rutschte es ein paar Zeilen zu tief, und klein sah es aus. Sie hatte mehrere Vorlagen gefunden, sich für: Ebba Jansen, hat vor dem zuständigen Prüfungsausschuss die Prüfung zur staatlich anerkannten ErzieherIn erfolgreich abgelegt. Ihre Leistungen werden mit insgesamt gut (2,1) bewertet entschieden. Hatte zum Fenster gesehen, weiße Punkte, es schneite schon wieder, und mit einem Mal war ihr aufgefallen, dass es still war. Kein Laut, nicht aus der Wohnung unter ihr, früher hatte sie morgens gedämpft den Fernseher gehört, und auch nicht von weiter unten. Kein Maschinentacken, kein Wimmern, kein brünftiges Tier, kein Jaulen, nichts.
    Am frühen Nachmittag hatte sie auf der Fensterbank gesessen, er trug sicher eine Mütze, dunkelblau stellte sie sich die Mütze vor, aus Wolle. Das Mädchen sah sie auch nicht. Es war kurz vor drei, als ihr auffiel, dass die erste Schicht nicht nach Hause kam. Und die zweite nicht unten aus der Haustür trat, kurz auf dem Gehsteig wartete, bis alle da waren, und in Richtung Park ging. Sie sind unterwegs, um ihn zu verscharren, hatte sie gedacht, der Boden war tiefgefroren, sie würden Schaufeln brauchen, Spitzhacken vielleicht, hoffentlich wussten sie das.
    Sie hatte beschlossen zu klopfen, nicht gleich, am Abend, der Doseninhalt reichte noch ein paar Tage, sein Gesicht wollte sie sehen, wollte wissen, ob er zu Boden blicken würde, kein Handflächenzeigen mehr, kein Schulterzucken, da war sie sicher. Sie hatte gewartet, bis es dunkel wurde, die Laternen gingen an und niemand kam. Sie haben sich zurückgezogen, dachte sie, in das Glühbirnenlicht der Wohnung, sitzen zusammengedrängt auf den Matten, hinter heruntergelassenen Rollläden, wollen es aussitzen, stillhalten. Ebba hatte den ganzen Tag am Fenster verbracht, keiner von ihnen hatte das Haus verlassen, keiner war gekommen.
    Still war es hinter der Tür, Ebba klopfte, wieder und wieder. Sie

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