Rechnung offen
Durst, betrachtete die Dielen im Spalt des Höhleneingangs, glatt und hell. Er könnte in die Küche gehen, Wasser holen, sah eine schwarze Hand unter dem Sofa hervorlangen, sobald sein Fuß den Boden berührte. Glänzende dunkle Tentakelfinger schlossen sich um seinen Knöchel. Blödsinn, dachte er. Das Jaulen wurde leiser, Lucas beugte sich vor, wollte unters Sofa sehen.
Er fuhr zurück, da war etwas, ein dunkler Haufen, weit hinten, er presste seinen Körper gegen die Rückenlehne, zog die Füße an. Die Aliens griffen nach den Knöcheln, schleiften einen hinter sich her, hinein in die Krater. Blödsinn, dachte Lucas. Er näherte sich wieder der Polsterkante, legte sich auf die Sitzfläche, ließ den Kopf runterhängen. Der Haufen rührte sich nicht. Glänzte im Licht.
Er ging nicht durch den Höhleneingang, er stieg auf die Seitenlehne, schob die Decke zur Seite und sprang in Richtung Wohnzimmertür. Die Landung war laut, klang dumpf, er traute sich nicht, sich zu rühren, das Jaulen ging unentwegt weiter, die Aliens schienen ihn nicht gehört zu haben. Er ging in die Küche, brauchte etwas Langes, eine Waffe, nahm schließlich den Besen.
Wollte ihn piken, den Haufen. Hielt die Bürste in der Hand, stieß ihn mit dem Stiel, der Haufen war weich und rührte sich nicht. Lucas bohrte den Griff hinein. Vielleicht war es tot. Er drehte den Besen um, schob ihn erneut unter das Sofa, schubste es sicherheitshalber mit den Borsten. Als es ruhig blieb, schob Lucas die Bürste behutsam zwischen Haufen und Wand und zog ihn, ein Stück nur, vor. Leicht war er, leichter, als Lucas erwartet hatte, und seltsam schlaff. Vielleicht lauerte es, er hielt inne. Vielleicht stellte es sich tot, bis er es ganz hervorgezogen hatte, um ihn dann anzuspringen. Ihm schauerte, er überlegte, ob er es wieder runterschieben sollte, beugte sich vor. Zwei silberne Streifen sah er, sie wölbten sich, wenige Zentimeter voneinander entfernt, parallel über den Haufen. Die Streifen waren gezackt, hatten kleine Zähne, wie die Panzerplatten hinten auf den Dinosaurierrücken, nur winzig. Da erst bemerkte er das kleine Viereck, aus Metall, zum Ziehen. Ein Reißverschluss, die silbernen Streifen waren ein geöffneter Reißverschluss.
Er hätte Schuhe anziehen sollen, Socken zumindest, überlegte, ob er zurückgehen sollte. Soweit Lucas hatte sehen können, er hatte es nicht anfassen wollen, war es leer gewesen. Vielleicht war es eine Haut, eine künstliche Alienhaut, die sie brauchten, um in der Marsatmosphäre zu atmen. Die Stufen waren kalt unter seinen Füßen, Sand lag auf dem Linoleum.
Er mochte nicht auf die Fußmatte treten, braune Borsten, in denen Blattreste hingen, stellte sich daneben, dicht an die Wand, als er klingelte. Stellte einen Fuß auf den Spann des anderen, meinte, Wasser laufen zu hören.
»Nico?«, sagte Frau Streml, »ein wenig spät zum Kaffeetrinken.«
»Tut mir leid«, sagte Lucas, er wollte wieder gehen.
»Komm herein, komm herein. Ich freue mich ja.« Sie sagte nichts zu seinem Pyjama, seinen nackten Füßen, trat einen Schritt zur Seite, auf den Dielen lag ein schmaler Teppich aus einem kratzigen roten Material. Frau Streml schaltete das Licht in der Küche ein.
»Geh schon mal vor«, sagte sie, »ich stell das Wasser auf.«
Lucas war nicht sicher, wo vor war, aus Richtung der Tür am Ende des Flures hörte er gedämpft Musik, ein Mann sprach. Er ging darauf zu, setzte die bloßen Zehen vorsichtig auf den harten Läufer, wenigstens sah er sauber aus. Rechts ging eine weitere Tür ab, es roch, als er davorstand, nach Pups und etwas Stechendem.
Der Tisch war gedeckt, für zwei Personen, Teller, Kaffeetassen mit Untertasse, alles in Weiß. Stumpf sah es aus, er zog mit dem Finger einen Strich in den Staub. Silberne Gabeln, eine Porzellandose, Lucas hob den Deckel, Würfelzucker. Sah sich um, der Flur war leer, das Wasser in der Küche lief nicht mehr, er nahm einen der Würfel und steckte ihn in den Mund. Im Fernsehen küssten sie sich. Er sog Spucke durch den Zucker, fühlte, wie sich erst die Kanten auflösten, Kristalle verteilten sich auf der Zunge, hart und körnig, ehe sie zerflossen. Auf einem kleinen Tisch, neben dem Telefon, lag die Fernbedienung, er schaltete durch, sie hatte die gleichen Programme wie er unten, bei Ümit gab es mehr.
Lucas ging zur Fensterbank, da standen Blumen, aus Plastik, die Blüten, die die Scheibe berührten, waren heller, ihr Rot seltsam blass. Auf einigen Blättern klebten
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