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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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denen zwei mit deutschen Männern zusammen waren, verweigerten
sich vehement seinem Anspruch, sich zukünftig nur noch nach islamischen Regeln in
der Öffentlichkeit zu bewegen und auch sonst als gute Muslimas zu leben. Nach einem
langen, überaus hitzig geführten Disput warf Bilgin die Frauen zusammen mit seinem
ältesten Sohn kurzerhand aus der Wohnung, als sie sich nicht überzeugen ließen.
    Von heute an, hatte er ihnen wutentbrannt hinterhergeschrien, seid
ihr nicht mehr meine Kinder.
     
    *
     
    »Musst du immer deinen Kopf auf den Arm stützen, Emre?«, fragte Demet
Bilgin ihren Sohn, der missmutig am Tisch saß und halbherzig seine Suppe löffelte.
    »Musst du mich immer kritisieren?«, fragte der Junge aufsässig zurück.
    »Emre!«, kam es drohend von der anderen Seite des Tisches. Gökhan Bilgin
hatte kurz die Stimme erhoben.
    »Ist doch wahr. Immer kritisiert ihr nur an mir rum. Mach dies, lass
das, komm hierhin, bring diese Hose weg. Langsam habe ich keine Lust mehr auf diese
Anmache. Außerdem muss ich mit euch reden. Wegen der Schule.« Er ließ sich in seinen
Stuhl zurückfallen und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
    »Was willst du mit uns besprechen?«, wollte die Mutter nun mit gütigem
Unterton in der Stimme wissen. »Hast du Schwierigkeiten in der Schule?«
    »Nein, ich habe keine Schwierigkeiten. Ich will nur mit auf die Klassenfahrt.
Alle fahren mit, nur ich darf nicht.«
    Gökhan Bilgin legte langsam seinen Löffel neben den Teller und hob
den Kopf. »Das haben wir ausführlich besprochen, junger Mann. Ich will nicht, dass
du diese Reise mitmachst, und basta.«
    »Basta, basta. Nur weil du dich in deiner Koranwelt einmauerst, kannst
du mir doch nicht alles verbieten, Papa. Ich darf nicht Fußball spielen, ich darf
nicht nach der Schule mit den anderen auf den Spielplatz gehen, eigentlich darf
ich gar nichts. Das ist doch sch …« Der Junge schaffte es gerade noch, das verpönte
Wort herunterzuschlucken.
    »Ich will es trotzdem nicht.«
    Emre schluckte erneut. Er kämpfte sichtbar mit den Tränen.
    »Pah«, schrie er. »Selbst, wenn du wolltest, du könntest es ja gar
nicht. Wir sind nämlich pleite. Wir haben kein Geld für die Fahrt, so sieht es doch
aus.«
    »Aber Emre«, mischte sich die Mutter energisch ein. »So kannst du nicht
mit deinem Vater reden.«
    Nun rollte die erste Träne über das Gesicht des Jungen.
    »Ich kann nicht mit auf die Klassenfahrt«, beklagte er sich, »weil
mein Vater keine Zeit mehr hat, zu arbeiten. Weil er die meiste Zeit des Tages mit
den anderen Fundis in der Teestube rumhängt oder Koranverse auf dem Handy liest.«
    Noch bevor sein Sohn den Satz beendet hatte, war Gökhan Bilgin aufgesprungen
und warf sich nach vorne. Der Junge jedoch war um einiges schneller und parierte
die Attacke mit ein paar schnellen Bewegungen des Oberkörpers. Dann stand er neben
seinem Stuhl, hob die Arme und ballte die Fäuste.
    »Emre«, rief seine Mutter laut, »du versündigst dich!«

2
     
    Gerold Schmitt griff erneut nach seinem Bierglas und trank den Rest
des halben Liters mit einem Zug aus. Der Blick seiner glasigen Augen wanderte von
einer Seite der Theke zur anderen, doch erkennen konnte er nicht mehr viel.
    »Roland«, rief er dem bulligen Mann hinter der Theke zu, »schreibst
mein Zeug von heute auf den Deckel, ja?«
    Der Wirt nickte widerwillig. »Mach ich. Und du siehst zu, dass du endlich
nach Hause kommst. Immerhin hängst du seit heute Morgen um zehn hier rum.«
    »Meine Fresse«, erwiderte Schmitt grinsend, »so lange ist das her?«
    Damit rutschte der 24-jährige arbeitslose Autolackierer vom Barhocker,
taumelte kurz und tastete nach dem Thekenbrett, um sich festzuhalten.
    »Ganz schön raue See heute Nacht«, lallte er.
    Der Wirt kam um die Theke herum, griff sich seinen rechten Oberarm,
und führte ihn zum Ausgang der schummrigen Dorfkneipe.
    »Soll dich die Lisa heimbringen?«, fragte er.
    »Nein, geht schon. Ich hab nur ein bisschen Schlagseite, weißt du.«
    »Wer wüsste das besser als ich?«
    Schmitt hob schwankend den Kopf, als sie den Gehsteig erreicht hatten,
und warf Roland Schweda einen angedeuteten Handkuss zu.
    »Geht schon«, wiederholte er, und trottete im einsetzenden Schneegestöber
schlurfend davon.
    Sein Heimweg war etwa 800 Meter lang und führte den bulligen, glatzköpfigen
Mann über ein Stück unbeleuchteten Feldwegs, weil der Bauernhof, den er zusammen
mit seiner Mutter bewohnte, etwas außerhalb des kleinen nordhessischen

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