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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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fuhr sich oft über die Haut, als wollte er sich versichern, dass die Jade tatsächlich verschwunden war. Clara hatte die Geste auch bemerkt. Geister … Will stand auf und goss sich ein Glas Wein ein.
    »Was soll ich tun, wenn er mir ein Angebot macht? Der Keller ist voll mit altem Plunder. Da unten sieht es aus, als hätte unsere Familie nichts mehr fortgeworfen, seit dieses Haus gebaut wurde. Es ist kaum Platz für die Bilder, die wir von den Wänden genommen haben. Aber Clara braucht ein Arbeitszimmer und …« Will ließ den Satz unbeendet, als lauschten die Geister ihrer Eltern in den leeren Zimmern, die sie hinterlassen hatten.
    Jacob fuhr mit dem Finger über die Initialen, die er in die Tischplatte geschnitzt hatte. Er hatte sich das Messer heimlich gekauft.
    »Verkauf, was immer du willst«, sagte er. »Räumt einfach alles aus. Wenn ihr wollt, könnt ihr mein Zimmer auch benutzen. Ich kann auf dem Sofa schlafen, so selten, wie ich hier bin.«
    »Unsinn. Dein Zimmer bleibt.« Will schob ihm ein Glas Wein hin. »Wann gehst du zurück?«
    »Heute noch.« Es fiel ihm nicht mehr so leicht wie früher, die Enttäuschung auf dem Gesicht seines Bruders zu ignorieren. Er würde ihn vermissen.
    »Ist alles in Ordnung?« Will sah ihn besorgt an. Ja, es war nicht mehr so leicht wie früher, ihn zu täuschen.
    »Sicher. Es ist anstrengend, in zwei Welten zu leben.« Jacob versuchte es wie einen Scherz klingen zu lassen, aber Wills Gesicht blieb ernst. Es glich so sehr dem ihrer Mutter. Will runzelte sogar die Stirn auf dieselbe Weise wie sie.
    »Du solltest hierbleiben. Es ist zu gefährlich!«
    Jacob senkte den Kopf, damit Will sein Lächeln nicht sah. Es ist erst durch dich wirklich gefährlich geworden, kleiner Bruder. »Ich bin bald zurück«, sagte er. »Ganz sicher.«
    Er war doch immer noch ein guter Lügner. Die Chancen standen tausend zu eins, dass der Bewohner der Flasche ihn nicht retten, sondern umbringen würde. Tausend zu eins gegen dich, Jacob. Er hatte schon höher gewettet.

4
GEFÄHRLICHE MEDIZIN
    Z urück. Der Regen, den der Wind Jacob ins Gesicht trieb, als er aus dem Turm trat, schien für einen Moment derselbe zu sein, der am Fenster seiner Mutter heruntergeronnen war. Seine Augen suchten zwischen den eingestürzten Mauern nach der Silhouette einer Füchsin, aber es huschte ihm nur ein Heinzel vor die Füße, mager und hungrig, wie sie es am Ende des Winters meistens waren. Wo war sie?
    Es kam selten vor, dass Fuchs nicht auf ihn wartete. Meist spürte sie Tage im Voraus, wann er zurückkam. Natürlich dachte er sofort an Fallen oder an die Flinte irgendeines Bauern, der seine Hühner beschützte. Unsinn, Jacob . Sie wusste besser auf sich aufzupassen als er selbst. Wenn er die Flasche öffnete, wollte er sie ohnehin nicht in der Nähe haben.
    Die Stille, die ihn umgab, war nach dem Lärm der anderen Welt unwirklicher als der Heinzel, und seine Augen brauchten wie immer ein paar Sekunden, bis sie sich an die dunklere Nacht gewöhnt hatten. Im Lichtermeer der anderen Welt vergaß man so schnell, wie dunkel sie war. Er sah sich um. Er brauchte einen Platz, an dem der Bewohner der Flasche nicht bis in die Wolken wachsen konnte. Außerdem durfte er nicht riskieren, dass der Turm und der Spiegel zu Schaden kamen.
    Die alte Schlosskapelle.
    Sie war von dem Feuer, das das Schloss zerstört hatte, ebenso verschont geblieben wie der Turm und lag gleich hinter dem verwilderten Garten, der sich den Hang des Hügels hinabzog. Jacob musste sich einen Weg mit dem Säbel hindurchbahnen. Vermooste Treppen, zersprungene Statuen, Brunnen, in deren Marmorbecken moderndes Winterlaub trieb. Vor der Kapelle ragten Grabsteine aus dem ungemähten Gras: Arnold Fischbein, Luise Moor, Käthchen Grimm. Die Dienstbotengräber hatten das Feuer überlebt, aber von dem Mausoleum der Schlossbesitzer stand nur noch ein Ring verkohlter Steine.
    Das Holz der Kapellentüren war so aufgequollen, dass Jacob sie kaum öffnen konnte. Das Innere bot einen trostlosen Anblick. Die bunten Glasfenster waren eingeschlagen, und die Bänke hatten längst ein paar kalte Hütten gewärmt, aber das Dach war noch intakt – und der Kirchenraum war kaum vier Meter hoch. Das musste reichen.
    Ein Däumling lugte besorgt über den Rand des leeren Weihwasserbeckens, als Jacob die Lederhülle von der Flasche schob. Das braune Glas war so kalt, dass es ihm fast die Finger verbrannte. Ihr Bewohner kam nicht aus dem Süden, wo man Flaschengeister auf

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