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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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zurecht, lächelte Jacob erneut zu – und ließ die beringte Hand sinken.
    Der Hammer des Auktionators fiel, und Jacob war schwindlig vor Erleichterung, während er sich einen Weg durch die Stuhlreihe bahnte. In der vordersten Reihe bot ein Sammler zehntausend Dollar für die Silberrassel. Schätze, auf beiden Seiten des Spiegels.
    Die Kassiererin schwitzte in ihrer schwarzen Jacke und trug zu viel Puder auf der teigigen Haut.
    Jacob schenkte ihr sein freundlichstes Lächeln und schob ihr das Bündel Scheine hin. »Ich hoffe, das reicht als Anzahlung?«
    Er legte drei Goldtaler dazu. Gewöhnlich waren die Münzen auch in dieser Welt ein gern gesehenes Zahlungsmittel. Die meisten Händler hielten ihn für einen Dummkopf, der nicht wusste, was antike Goldmünzen wert waren, und für die, die nach der Kaiserin auf der Münze fragten, hatte er eine abenteuerliche Geschichte parat. Aber die schwitzende Kassiererin warf den Talern einen misstrauischen Blick zu und rief einen der Auktionatoren zu Hilfe.
    Die Flasche stand kaum zwei Schritte entfernt zwischen den anderen ersteigerten Gegenständen. Auch aus der Nähe verriet ihr Glas nichts über den, der sich dahinter verbarg. Für einen Moment war Jacob versucht, sich trotz der Wachen vor der Tür mit seiner Beute davonzumachen, aber ein Räuspern unterbrach diesen alles andere als vernünftigen Gedanken.
    »Das sind interessante Münzen, Mister … wie war noch gleich der Name?«
    Grüne Augen. Sein Kontrahent reichte Jacob kaum bis zur Schulter. Im linken Ohrläppchen trug er einen winzigen Rubin.
    »Reckless. Jacob Reckless.«
    »Ah ja.« Der Fremde schob die Hand unter die maßgeschneiderte Jacke und lächelte dem Auktionator zu. »Ich bürge für Mister Reckless«, sagte er, während er Jacob seine Karte reichte. Die Stimme war heiser, mit einem leichten Akzent, den Jacob nicht einordnen konnte.
    Der Auktionator senkte ehrerbietig den Kopf.
    »Wie Sie wünschen, Mister Earlking.« Er sah Jacob fragend an. »Wohin soll die Flasche zugestellt werden?«
    »Ich nehme sie mit.«
    »Natürlich.« Earlking lächelte. »Sie war schon viel zu lange am falschen Ort, nicht wahr?«
    Der kleine Mann verbeugte sich, bevor Jacob etwas erwidern konnte. »Grüßen Sie Ihren Bruder von mir«, sagte er. »Ich kenne ihn und Ihre Mutter sehr gut.« Dann wandte er sich um und verschwand in dem gut gekleideten Gedränge.
    Jacob blickte auf die Karte in seiner Hand. Norebo Johann Earlking. Nichts weiter.
    Der Auktionator reichte ihm die Flasche.

3
GEISTER
    D ie falsche Welt. Der Sicherheitsbeamte am Flughafen begutachtete die Flasche so gründlich, dass Jacob ihm hinter dem Spiegel wohl irgendwann die Pistole auf die uniformierte Brust gesetzt hätte. Sein Flug landete verspätet in New York, und sein Taxi blieb so oft im Abendverkehr stecken, dass er sich nach einer Droschkenfahrt durch die verschlafenen Straßen Schwansteins sehnte. Vor dem alten Apartmenthaus spiegelte sich der Mond in schmutzigen Pfützen, und von der Backsteinmauer über dem Eingang starrten die grotesken Fratzen herab, die Will als Kind so eingeschüchtert hatten, dass er vor der Tür jedes Mal den Kopf einzogen hatte. Inzwischen hatten die Abgase sie so zerfressen, dass sie kaum von den steinernen Blüten zu unterscheiden waren, die sie umrankten. Jacob spürte ihren starren Blick trotzdem deutlicher als je zuvor, während er die Treppe vor der Eingangstür hinaufstieg, und seinem Bruder ging es sicher nicht anders. Die verzerrten Gesichter hatten einen ganz neuen Schrecken, seit Will eine Haut aus Stein gewachsen war.
    Der Portier in der Eingangshalle war derselbe, der sie als Kinder aus dem Aufzug gezerrt hatte, wenn sie allzu oft damit auf und ab gefahren waren. Mister Tomkins. Er war alt und fett geworden. Auf dem Tresen, auf dem er die Post bereithielt, stand immer noch das Glas voll Lollis, mit denen er sie als Kinder bestochen hatte, die Botengänge für ihn zu erledigen. Jacob hatte Will irgendwann eingeredet, dass Tomkins ein Menschenfresser war, worauf er sich tagelang geweigert hatte, in den Kindergarten zu gehen, aus Angst, dabei an dem Portier vorbeizumüssen.
    Vergangene Zeiten. In dem alten Haus nisteten sie in jedem Winkel. Hinter den Säulen der Eingangshalle, die Will und er zum Versteckspielen benutzt hatten, in den Kellern, in deren dunklen Gewölben er zum ersten Mal (und ohne Erfolg) nach Schätzen gesucht hatte oder in dem vergitterten Aufzug, den sie je nach Bedarf zum Raumschiff oder zum

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