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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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selbst einem Goyl mit nur einer Hand jeden Knochen im Leib brechen. Bestimmt kein angenehmes Gefühl.
    »Und? Was sollten wir deiner Meinung nach tun?« Das Flüstern füllte Nerron die Ohren mit Tümpelschlamm.
    Durch die Tür drang ein Seufzer, der die Porträts an den Wänden schamrot anlaufen ließ.
    »Bring Louis in einer Stunde in die Bibliothek. Ich werde mit ihm reden.« Das klang hoffentlich unverdächtig . »Und sag ihm, er soll die Hand mitbringen.«
    »Wozu?«
    Vorsicht, Nerron .
    »Ich will sehen, ob sie uns zeigt, wo das Herz ist.«
    Sechs Augen. Du lügst, Goyl, sagten sie. Und ich weiß es.
    »In der Bibliothek«, wiederholte der Wassermann. »In einer Stunde.«
    Die Schneewittchen-Methode hatte so schwere Nebenwirkungen, dass man in Albion für diesen Zauber gehängt wurde. Dem Krummen würde sicher eine noch wesentlich schmerzhaftere Hinrichtungsmethode einfallen, falls er jemals erfuhr, dass sie an seinem Sohn ausprobiert worden war. Aber Nerron verließ sich darauf, dass die Folgen leicht mit einer Überdosis Elfenstaub zu verwechseln waren.
    Einer der Küchenjungen in der Palastküche kochte ihm die Hexenzunge ab – der Dummkopf hielt sie für eine Kalbszunge –, aber den Apfel bereitete Nerron selbst vor. Die Methode war nur der Frucht wegen nach Schneewittchen benannt, obwohl der Apfel, in den sie gebissen hatte, mit einem anderen Gift präpariert worden war. Nerron schnitt Stiel und Gehäuse heraus und goss den Zungensud hinein. Schwarze Magie war eine unappetitliche Sache. Er verschloss die Öffnung mit dunkler Schokolade, um das Ganze etwas zu versüßen. Louis konnte Schokolade schwer widerstehen.
    Auf den Regalen seines Vetters reihten sich die Bücher so makellos aneinander, wie man sie nur in einer Bibliothek fand, die nie benutzt wurde. Louis’ Vetter gab sich gern den Anschein, ein gebildeter Mann zu sein.
    In einer Stunde . Der Wassermann lieferte pünktlich. Natürlich hatte der Kronprinz von Lothringen es nicht nötig, zu klopfen.
    »Der Wassermann sagt, wir hätten etwas zu bereden?« Er roch wie immer nach Elfenstaub und dem abscheulichen Eau de Toilette, das er so verschwenderisch wie Wasser benutzte. »Bleib draußen!«, fuhr er Eaumbre an, als der Wassermann ihm folgen wollte. »Du stinkst schon wieder nach Fisch. Geh und such meinen Vetter. Ich will ausgehen.«
    Eaumbre streifte Nerron mit einem farblosen Blick, bevor er die Tür hinter sich schloss. Lelou hatte Louis offensichtlich nichts über den Stolz von Wassermännern gelehrt. Eine nicht ungefährliche Wissenslücke.
    »Habt Ihr die Hand mitgebracht?«
    Louis hielt den Beutel hoch.
    »Ich hoffe, Ihr bewahrt sie weit entfernt von Euch auf?«
    »Wieso?« Louis runzelte die Stirn. Das Denken fiel ihm durch den Elfenstaub noch schwerer.
    »Was bringt Lelou Euch bei? Schwarze Magie ist alles andere als gesund! Und natürlich wird Euer Vater es mich ausbaden lassen, wenn die Nebenwirkungen einsetzen!« Nerron hielt ihm den Apfel hin. »Hier. Das Gegenmittel schmeckt abscheulich, aber ich habe den Koch gebeten, es etwas schmackhafter zu machen.«
    »Ein Apfel?« Louis wich zurück. »Ich rühr keine Äpfel an. Zwei meiner Tanten sind so vergiftet worden.«
    »Wie Ihr wollt.« Nerron legte den Apfel auf ein Lesepult, auf dem ein Buch über die Familiengeschichte von Louis’ austrischen Verwandten vor sich hinstaubte. »Geht zu einem Arzt, wenn Ihr mir nicht glaubt. Und beobachtet Eure Fingernägel. Wenn sie schwarz werden, ist es allerdings meist schon zu spät.«
    Louis starrte auf seine Finger.
    »Ich bin die Schatzjagd leid!«, stieß er hervor. »All dieser magische Blödsinn. Schnee von gestern.«
    Er griff nach dem Apfel und musterte ihn so misstrauisch, dass Nerron die Hoffnung schon aufgab. »Ist das Schokolade?«
    Ein Biss und er sackte zusammen. Nerron fing ihn auf, bevor er auf den Marmorfliesen aufschlug. Nicht ganz einfach bei Louis’ Gewicht.
    Er beugte sich über ihn und blies ihm in das schlafende Gesicht. »Wo ist das Herz von Guismund, dem Hexenschlächter?«
    »Was?«, murmelte Louis.
    Nerron fluchte so laut, dass er sich selbst die Hand auf den Mund presste. Der Landstreicher, bei dem er die Schneewittchen-Methode vor sechs Jahren angewandt hatte, war gegen das Prinzlein ein Ausbund an Klugheit gewesen.
    »Guis-mund-der-He-xen-schläch-ter«, raunte Nerron in das prinzliche Ohr.
    Louis wollte sich auf die Seite rollen, aber Nerron hielt ihn fest, auch wenn das prinzliche Gewicht einiges an

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