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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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daran erinnert, was für ein Wunder ein Foto war. Das Mädchen, das Jacob anblickte, hatte so dunkles Haar, dass es fast mit dem sepiabraunen Hintergrund verschmolz. Es saß etwas steif da, schließlich musste man für ein Foto wie dieses noch lange still sitzen, aber der selbstbewusste Blick sagte: »Sieh mich an. Bin ich nicht schön?«
    »Es war ihr erster Ball.« Ramee trat an Jacobs Seite. Die Goldfüße verrieten sich nur durch die Schwere seiner Schritte. »Ich hatte die Kette gerade zusammen mit ein paar anderen Schmuckstücken aus dem Palast bekommen. Ich weiß immer noch nicht, welcher Edelstein es war. Er hatte eine seltsame Konsistenz. Aber er sah so schön aus auf Maries weißer Haut. ›Wie ein Stück Nacht in Gold gefasst, Großvater‹, hat sie gesagt. Wer kann seiner Enkelin schon etwas abschlagen und es war doch nur für einen Ball. Sie ist nie zurückgekommen. Fort. Einfach fort. Als hätte es sie nie gegeben. Ihre Mutter verlässt aus Kummer kaum noch das Haus. Sie redet sich ein, dass Marie mit einem der Offiziere fortgelaufen ist, die sich auf diesen Bällen herumtreiben. Vermutlich weiß sie, dass die Wahrheit wesentlich unerträglicher ist.«
    Ramee schob den Ärmel zurück. Er trug ein goldenes Armband um das knochige Handgelenk. Die feinen Kettenglieder waren schwarz angelaufen. »Du hast von Armbändern wie diesem gehört, oder?«
    Jacob nickte. Nicht viele Goldschmiede verstanden sich darauf, sie herzustellen. Man setzte dem Gold einen Tropfen Blut bei. Blieb das Metall blank, ging es dem, von dem das Blut stammte, gut; färbte sich das Armband rot, war er in großer Gefahr. Lief es schwarz an, konnte das nur eines bedeuten.
    »Tot.« Ramee starrte das Foto an. »Diese Fotografien sind eine beunruhigende Erfindung, oder? Man sieht wie ein Geist darauf aus. Aber andererseits habe ich so wenigstens ihr Bild.« Er schob den Ärmel über das geschwärzte Armband. »An dem Tag, an dem Marie herkam, trug sie eine Blüte am Kleid und schwärmte von einem Fremden, schön wie ein Prinz. Natürlich war er glatt rasiert. Ich muss dir nicht erklären, warum sie nicht zurückgekommen ist.«
    Nein, das musste er nicht.
    Eine Blüte am Kleid. Jacob spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte. Warst du blind und taub, Jacob?
    »Blaubärte …« Ramee rieb sich die trüben Augen. »Man glaubt, es gäbe sie nur in Märchen, bis einer von ihnen die eigene Enkeltochter holt. Falls du die Kette, die du suchst, je findest, erschieß den, der sie besitzt, und dann sieh nach, ob es in seiner Roten Kammer eine Tote gibt, die eine Brosche mit einem Rubinstern trägt. Ich habe sie Marie zu ihrem sechzehnten Geburtstag gemacht.«
    Seine Rote Kammer … Jacob hatte solch eine Kammer schon einmal betreten. Es war eine Erinnerung, die er gern vergessen hätte.
    Wie lange war Fuchs mit ihm fort? Drei Stunden?
    Ramee rief ihm etwas nach, aber Jacob hörte nur das Rauschen seines eigenen Blutes in den Ohren. Troisclerq hatte ihr die Blüte vor seinen Augen angesteckt! Sie tränkten sie mit Vergiss-dich-ganz-Öl.
    Er stolperte auf die enge Gasse hinaus. Verdammter Idiot. Hatte er alles vergessen, was Chanute ihm beigebracht hatte?
    Beweg dich, Jacob.
    Aber er kam nicht weit. Ein Arm schlang sich ihm um den Hals, und jemand zerrte ihn unsanft durch den nächsten Torbogen in einen der dunklen Hinterhöfe, mit denen das Juweliersviertel durchsetzt war.
    »Na, gefällt dir Vena unter deinen neuen Freunden?« Donnersmarck trug nicht länger kaiserliches Weiß, sondern die graue Uniform der Goyl. Als Jacob ihn zuletzt gesehen hatte, war er ihr Gefangener gewesen. Inzwischen war sein alter Freund der persönliche Attaché der neuen Kaiserin. Sie nahm es ihm offenbar nicht übel, dass er früher ihrer Mutter gedient hatte.
    Donnersmarck hatte getrunken. Nicht viel, nur gerade genug, um die Kontrolle zu verlieren. Er schlug Jacob so fest ins Gesicht, dass er das eigene Blut auf der Zunge schmeckte. Jacob stieß ihm zur Antwort das Knie in den Magen und riss sich los, aber er kam nicht weit. Unter dem Torbogen stand Auberon, der ehemalige Lieblingszwerg der Kaiserin, und zielte mit einer Pistole auf seinen Kopf. Auberon bewies seine Schießkunst gern, indem er mitten in die Stirn schoss. Alle Zwerge der Kaiserin waren sehr gute Schützen. Amalie ließ sich trotzdem lieber von den Soldaten ihres Mannes bewachen, also schützten die früheren Leibwächter ihrer Mutter nun Juweliere, Bankiers und reiche Fabrikanten.
    Jacob hob die

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