Reckless - Lebendige Schatten
Hände.
»Lasst mich gehen, Leo!« Er würde zu spät kommen.
Donnersmarck drückte ihn gegen die nächste Mauer. »Du gehst nirgendwohin. Ich habe es der Kaiserin versprochen, in dem finsteren Loch, in das die Goyl sie gesperrt haben: Ich werde Jacob Reckless finden, und er wird für das bezahlen, was in der Kathedrale geschehen ist.«
»Warum erschießen wir ihn nicht gleich hier?« Jacob erinnerte sich gut an das aufgequollene Gesicht, mit dem Auberon aus der Kathedrale gestolpert war. Ja, der Zwerg hätte sicher gern abgedrückt, aber Donnersmarck ignorierte seine Frage.
»Ich lasse seit Monaten am Bahnhof und den Postkutschstationen nach dir Ausschau halten.«
»Tatsächlich? Ja, ich sehe, du bist immer noch ein mächtiger Mann. Glückwunsch zur Goyluniform. Sie steht dir gut!«
Jacob hatte gehofft, dass Donnersmarck ihn dafür schlagen würde. Er war so betrunken, dass er dabei das Gleichgewicht verlor, und Jacob setzte ihm die Pistole an die Schläfe, bevor er wieder sicher auf den Füßen stand. Auberon bewies, dass niemand hinter dem Spiegel so einfallsreich fluchte wie ein Zwerg, während er versuchte, zum Schuss zu kommen, aber Donnersmarck war sehr hochgewachsen und die beste Deckung.
»Es ging um meinen Bruder!«, zischte Jacob ihm zu. »Was hättest du getan? Du trägst ihre Uniform, nur, um nicht wie deine alte Herrin in einem Kerker zu enden. Also lass die Scheinheiligkeiten und sag mir, ob du von einem Blaubart weißt, der hier in der Gegend sein Unwesen treibt!«
Er spürte, wie Donnersmarck tief Atem holte.
Blaubart. Sie hatten gemeinsam einen gejagt. Vor Jahren.
»Nun sag schon. Du bist der Wachhund der neuen Kaiserin. Natürlich weißt du die Antwort!«
»Das ist ein schmutziger Trick!« Die Gespenster, die Donnersmarcks Stimme heiser machten, hatte außer ihm nur Jacob gesehen.
»Heraus damit!« Jacob ließ seinen alten Freund los, damit er die Angst auf seinem Gesicht sah. »Gibt es in Vena einen Blaubart?« Donnersmarck starrte ihn an . Zeig ihm die Angst, Jacob. Auch wenn du so gut darin bist, sie zu verstecken.
»Ja.« Donnersmarcks Worte kamen stockend. »Er hat sich das erste Mädchen vor zehn Jahren geholt. Inzwischen sind es vier. Angeblich stammt er aus Lothringen, aber er geht mit Vorliebe hier auf die Jagd. Du weißt, wie sie sind. Niemals vor ihrer Tür. Warum suchst du ihn?«
»Er hat Fuchs.« Jacob schob sich an ihm vorbei. Immer dasselbe Bild: Troisclerqs Hand, die ihr die Blüte ans Kleid steckte. Warum hatte er es in seiner Gegenwart getan? Damit er es künftig jede Nacht vor sich sah? Er war ihm ebenso auf den charmanten Leim gegangen wie die Frauen, die er tötete. Aber Fuchs ist nur für dich mit ihm gegangen, Jacob. Und du hast sie ihm wie ein Geschenk überreicht.
»Wo in Lothringen?«
»Es gibt nur Gerüchte.«
»Zum Beispiel?«
»Dass er in der Nähe von Champlitte haust.«
Champlitte. Troisclerq hatte ihn nicht einmal angelogen. Was, wenn ich mir nehme, woran dein Herz hängt, Jacob? Kommst du und holst es dir?
Er stieß den Zwerg aus dem Weg und trat auf die Gasse hinaus. Donnersmarck holte ihn schnell ein, trotz des Hinkens, das ihm ein Krieg seiner Kaiserin eingebracht hatte.
»Wo hast du sie zuletzt gesehen?«
»Am Bahnhof.«
Er musste den Droschkenfahrer finden …
Kein Biss der Motte hatte sein Herz so rasen lassen. Die Angst ertränkte seinen Verstand. Er hatte nicht gewusst, dass man sich so fürchten konnte.
Du wirst sie finden! Und sie wird noch am Leben sein.
Wenn er sich nur selbst hätte glauben können. Er wusste nur noch eines. Er würde Troisclerq töten.
Er würde ihn töten.
37
BLÜTEN
W elke Blüten in einer Droschke und auf einem Bahnsteig. Nein. Troisclerq machte sich nicht die Mühe, seine Spuren zu verwischen. Donnersmarck stand neben Jacob, als er die Blüten vom Bahnsteig klaubte. Blaubart. Das eine Wort hatte Donnersmarcks Feindseligkeit wieder in die fraglose Unterstützung verwandelt, auf die Jacob vor der Blutigen Hochzeit hatte zählen können.
Es war drei Jahre her, dass die Kaiserin Jacob gebeten hatte, nach einem Blaubart zu suchen, der eine ihrer Zofen entführt hatte. Donnersmarck hatte darum gebeten, seine militärische Begleitung zu sein. Die Zofe war seine Schwester gewesen. Sie hatten sie in einem leeren Schloss gefunden, zusammen mit sieben anderen Mädchen, alle ebenso tot wie sie. Der Mörder war bereits fort gewesen. Sie hatten ihn noch monatelang gesucht, aber er hatte sie schließlich in eine
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