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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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gewesen, weil er sich bereits davongemacht hatte, und sie hatten sich mit dem Säbel einen Weg durch die abgestorbenen Hecken gebahnt. Aber dieses Labyrinth lebte. Gut, Jacob. Das heißt, er ist noch hier . Die Hecken rauschten, sobald sie auf sie zutraten, als wollten ihre immergrünen Zweige den Mörder, den sie bewachten, warnen. Troisclerq. Diesmal hatte er einen Namen und ein Gesicht, das vertraut war. All die Abende, die sie gemeinsam in irgendeiner Kutschstation verbracht hatten, zusammen getrunken und Geschichten über die Eifersucht von Feen und Fabrikantentöchtern ausgetauscht hatten, über verlorene und gewonnene Duelle, gute Schmiede und schlechte Schneider. Und er hat dir das Leben gerettet, Jacob.
    Er wollte ihn töten. Er hatte nie etwas mehr gewollt.
    Ein Schwarm Tauben flatterte aus den Hecken auf. Jacob blickte ihnen besorgt nach. Was, wenn er Fuchs tötete, sobald er ihn und Donnersmarck bemerkte ? Hör auf, Jacob. Sie lebt noch.
    Er wiederholte es sich wieder und wieder. Sie lebt noch. Er würde verrückt werden, wenn er sich erlaubte, etwas anderes zu denken.
    Ich bin sicher, wir sehen uns wieder.
    Er würde ihn töten.

42
WEISS
    T auben. Die Federn weiß wie ihre Angst. Sie schrieben sie mit ihren Flügeln in den Abendhimmel.
    Fuchs presste die Hände gegen das Fenster. Sie flüsterte Jacobs Namen, als könnte ihre Stimme ihn durch das Labyrinth des Blaubarts leiten. Er hatte sie schon einmal aus einer Falle befreit, aber damals war sie die Beute gewesen. Diesmal war sie der Köder.
    Sie war so froh, dass Jacob gekommen war.
    Und wünschte sich so sehr, er hätte sie nie gefunden.
    Hinter ihr stand die Karaffe zwischen den leeren Tellern und füllte sich mit ihrer Angst.

43
VERLOREN
    J acob wünschte sich ein Garnknäuel, dessen Faden nicht zerreißen konnte oder das seinen Weg allein fand, wenn man es die kiesbestreuten Pfade hinunterrollte, die sich vor ihnen zwischen den Hecken verloren. Aber Donnersmarck hatte in den Wunderkammern vergebens nach einem so nützlichen Zauber gesucht. Das Knäuel, dessen Faden Jacob am Eingang des Labyrinths in die Hecken knotete, stammte aus einer Schneiderei in Vena und hatte nichts Magisches an sich, außer der Fingerfertigkeit, die dazu gehörte, seinen festen Faden aus gewöhnlicher Schafwolle zu spinnen. Es würde ihr Lebensfaden sein. Ihre einzige Hoffnung, zwischen den Hecken nicht verloren zu gehen.
    Jacob ließ den Faden vorsichtig durch die Finger gleiten, während Donnersmarck und er zwischen die dunklen Zweige traten. Der Mörder hatte sein grünes Netz weit gespannt. Nach ein paar Biegungen stolperten sie über einen rostigen Säbel. Sie fanden blank genagte Knochen, vermoderte Stiefel, eine altmodische Pistole. Schon bald wussten sie nicht mehr, aus welcher Richtung sie gekommen waren, aber ihre größte Sorge waren die weißen Blumen, die im Schatten der Hecken wuchsen. Vergiss-dich-ganz. Es nützte nichts, sie zu zertreten oder auszureißen. Die Wirkung verstärkte sich nur, wenn die Blüten welkten. Sie banden sich Tücher vor Mund und Nase und wiederholten, während sie gingen, ihre Namen oder Orte und Dinge, die sie gemeinsam erlebt hatten. Trotzdem verblassten ihre Erinnerungen mit jedem Schritt, und ihre einzige Verbindung mit der Welt, die sie vergaßen, war ein Faden.
    Blätter. Zweige. Pfade, die vor einem immergrünen Wall endeten. Wieder und wieder.
    Jacob war schon von anderen Orten entkommen, an denen man sich selbst verlor, aber nicht einmal die Feeninsel hatte die Welt in ein solches Nichts verwandelt. Er tastete nach der Narbe auf seiner Hand, die die Zähne der Füchsin ihm beigebracht hatten, damit er sich nicht in den Armen der Roten Fee verlor.
    Vergiss sie nicht, Jacob.
    Vergiss dich selbst, aber nicht sie.
    Und wieder endete der Weg vor einer Hecke. Donnersmarck stieß mit einem Fluch den Säbel zwischen die Äste. Links. Rechts. Nicht einmal die Wörter schienen noch eine Bedeutung zu haben. Jacob wickelte den Faden auf, damit er ihn und Donnersmarck zurück zur letzten Wegkreuzung führte.
    Vergiss sie nicht.
    Seit wie vielen Stunden irrten sie so umher? Oder waren es schon Tage? Hatte es je etwas anderes gegeben als dieses Labyrinth? Jacob fuhr herum und tastete nach der Pistole, als er einen Mann mit gezogenem Säbel hinter sich stehen sah.
    Der Fremde ließ den Säbel sinken. »Jacob, ich bin es!« Donnersmarck. Wiederhol den Namen, Jacob. Nein, es gab nur einen, den er nicht vergessen durfte. Fuchs. Sie lebt noch .

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