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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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nicht, Fuchs!
    Der Diener blieb stehen.
    Bring sie zu den anderen.
    Die Tür unterschied sich nicht von den übrigen Türen, aber Fuchs witterte den Tod dahinter so deutlich, als sickerte Blut durch das dunkle Holz.
    »Du hast etwas vergessen.« Troisclerq stand hinter ihr. Er hielt den Schlüsselbund hoch, den er neben ihren Teller gelegt hatte. Vielleicht wollte er sehen, wie ihr die Hände zitterten, wenn sie den vergoldeten Schlüssel ins Schloss schob.
    Jacob hatte nicht erlaubt, dass sie das Haus des Blaubarts betrat, der Donnersmarcks Schwester getötet hatte. Fuchs hatte sich lustig darüber gemacht. Die Füchsin hatte zu oft selbst getötet, um dem Tod mit Scheu zu begegnen, aber der Anblick, der sie hinter der Tür erwartete, erfüllte sie trotzdem mit Grauen.
    Dieser Jäger ließ seine Beute nicht gehen.
    Neun Frauen. Sie hingen da wie grausige Marionetten, gehalten von goldenen Ketten, getötet von der eigenen Angst. Ihre Augen blickten leer, doch das Entsetzen hatte sich für immer auf die blassen Gesichter geschrieben. Ihr Mörder bewahrte sie in seiner Roten Kammer auf wie Schmuck in einer Schatulle. Erstarrte Überreste der Lust, die sie ihm bereitet hatten, des Lebens, das sie ihm gegeben, und der Liebe, die sie zu ihm gelockt hatte.
    Der Diener schlang Fuchs die goldenen Ketten um Hals und Handgelenke, als wollte er sie ein letztes Mal für Troisclerq schmücken. In seinem schrecklichen Puppenhaus war nicht mehr viel Platz. Ihr Ellbogen berührte den Arm der Toten, die neben ihr hing. So kalt, und immer noch so schön.
    »Sie lassen mich nicht gehen.« Troisclerq stellte die leere Karaffe auf den Tisch, der vor einem der verhängten Fenster stand. »Sie werden Teil von mir, vielleicht töte ich sie auch deshalb … Um mich von ihnen zu befreien. Aber sie bleiben, stumm und starr, und erinnern mich. An ihre Stimmen. An die Wärme, die ihre Haut einmal hatte …«
    Die Gaslampen, die die Kammer erleuchteten, warfen die Schatten der Toten an die rote Wand. Fuchs sah den eigenen zwischen ihnen. Sie gehörte schon zu ihnen.
    Troisclerq trat auf sie zu. »Macht dir sein Tod immer noch mehr Angst als der eigene?«
    »Nein.« Es war Fuchs gleich, ob er wusste, dass es eine Lüge war. »Er wird dich töten. Für mich. Und all die anderen.«
    »Das haben schon viele versucht.« Troisclerq nickte dem Diener zu. »Bring ihn zu mir«, sagte er. »Aber nur ihn.«
    Dann lehnte er den Rücken gegen die seidenbezogene Wand, die die Kammer wie das blutige Innere eines Tieres färbte, und wartete.
    Und Fuchs sah, wie ihre Angst in die Karaffe rann.

45
DIE FALSCHEN RETTER
    I n einen Brunnen. In einen verfluchten Brunnen hatten sie sie geworfen.
    Warum? Alles, was er getan hatte, war Louis’ unverständliches Geschwafel in ein paar Läden am Marktplatz zu wiederholen. Weiß wie Milch. Schwarz wie ein Stück Nacht in Gold gefasst.
    Und, Nerron? War es nicht Warnung genug gewesen, wie feindselig der fette Metzger dich angestarrt hat?
    Er krallte sich an die schlüpfrige Mauer. Eaumbre trieb tief unten in dem brackigen Wasser. Der Wassermann starrte so finster zu ihm hinauf, als wäre es seine Schuld, dass sie so endeten. Wahrscheinlich würde er mit seiner schuppigen Haut jahrelang da unten überleben.
    Von wegen der Beste, von wegen ewiger Schatzjägerruhm! Ein Brunnen, Nerron! Die Bürger von Champlitte brauchten sie wohl nur noch, um unliebsame Besucher darin zu entsorgen. Fließendes Wasser, Gaslaternen … Wo immer all der Wohlstand herkam, sie mochten keine Fremden, und schon gar nicht solche mit steinerner Haut.
    Nerron presste die Stirn gegen die feuchte Mauer. Sieh nicht nach unten.
    Wasser. Die Angst der Goyl.
    Er hatte versucht, die Eisenplatte hochzustemmen, die sie über das Brunnenloch gelegt hatten, aber nachdem er dabei gleich neben dem Wassermann gelandet war, hatte er es nicht noch mal versucht. Seine Kleider waren immer noch feucht und schleimig wie Schneckenfleisch.
    Sein einziger Trost war, dass Reckless die Armbrust nun auch nicht bekommen würde. Vielleicht würde eines Tages einer dieser Forscher, die jeden alten Stein umdrehten, seine gut erhaltenen Überreste aus dem Brunnen fischen und sich fragen, warum er einen goldenen Kopf und eine abgetrennte Hand mit sich herumgetragen hatte.
    Nerron stöhnte auf – seine Krallen schmerzten inzwischen, als risse sie ihm jemand aus – und stemmte sich gegen die kalte Mauer, als er über sich Stimmen hörte. Kamen sie zurück, weil sie beschlossen

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