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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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TOD
    F ür einen Augenblick fürchtete Fuchs, dass das Blut auf Jacobs Hemd sein eigenes war, aber dann sah sie das blutige Geweih des Dieners und dass er ohne Donnersmarck kam.
    Jacob streifte sie nur mit einem raschen Blick. Er wusste, dass sie beide verloren waren, wenn die Sorge um sie ihn von dem Mörder ablenkte, der zwischen den Toten auf ihn wartete. Jacob war unbewaffnet. Die Tränen, die Fuchs in den Augen standen, ließen sein Gesicht verschwimmen. Tränen über ihre eigene Hilflosigkeit. Tränen aus Angst um ihn. Sie erwartete fast, dass sie ihr so weiß übers Gesicht liefen wie das Herzblut, das Troisclerqs Karaffe füllte.
    Der Blaubart löste sich von der blutroten Wand. Verloren in seinem Haus des Todes. Guy. Für einen Moment hatte er seinen Namen zurück. Er trat zu Fuchs und berührte ihre Wange, als wollte er ihre Tränen auf den Fingerspitzen spüren.
    »Du kannst gehen«, sagte er zu dem Diener, der immer noch mit blutigem Geweih in der Tür stand. Der Hirschmensch sah ihn verständnislos an.
    »Du kannst gehen, sagte ich!« Troisclerqs Stimme klang so gelassen, als gehörte ihm die Zeit. Und sie gehörte ihm. Die Toten um ihn herum hatten sie für ihn gekauft.
    Der Diener beugte den gehörnten Kopf. Dann trat er zögernd zurück und verschwand in dem dunklen Korridor.
    Sie waren allein. Mit den Toten und ihrem Mörder.
    Fuchs erinnerte sich an die Stunden, die Jacob neben Troisclerq in der Kutsche gesessen hatte, vertraut, als wären sie seit Jahren Freunde. Sie entdeckte immer noch eine Spur dieser Freundschaft auf Jacobs Gesicht. Er mochte Troisclerq und verabscheute sein Herz dafür.
    »Durch das Labyrinth hat es seit achtzig Jahren niemand mehr geschafft, aber ich wusste, dass du mich nicht enttäuschen wirst. Der Letzte war ein Polizeioffizier aus Champlitte. Ich habe seine Waffe zum Andenken behalten.« Troisclerq wies auf einen Degen, der hinter den Toten an der Wand hing. »Bedien dich. Ich bin sicher, er hätte nichts dagegen. Ich weiß, du bevorzugst den Säbel, doch da dies mein Haus ist, hast du sicher nichts dagegen, dass ich die Waffe wähle.«Jacob ging auf den Degen zu. Er mied es immer noch, Fuchs anzusehen. Ja, vergiss mich, wollte sie flüstern , vergiss mich, oder er wird dich töten, Jacob. Sie sah ihre Angst in die Karaffe rinnen.
    Troisclerq sah es auch.
    »Nur neun?« Jacob blickte an den Toten entlang. »Ich bin sicher, du hast wesentlich mehr getötet, oder?«
    Er nahm den Degen von der Wand.
    »Ja. Ich bringe nur die Schönsten hierher.« Troisclerq strich sich das schwarze Haar aus der Stirn. »Die Ersten habe ich während der Riesenkriege getötet. Lange her. Sehr lange.«
    »Du vergisst ihre Namen, oder?« Jacob wies mit der fremden Klinge auf eine Tote, die am Kleid eine Brosche mit einem roten Rubinstern trug. »Ihr Name ist Marie Pasquet. Sie war die Enkelin eines berühmten Goldschmieds. Ich habe ihrem Großvater versprochen, dich zu töten, wenn ich dich finde.«
    »Und gewöhnlich hältst du deine Versprechen, ich weiß.« Troisclerq lächelte. »Ich wusste schon, dass wir hier enden würden, als ich dich aus den Ranken geschnitten habe. Der Nachteil eines langen Lebens. Nach nur hundert Jahren sind die anderen durchschaubar wie Glas. Jede Tugend, jedes Laster, jede Schwäche … nichts als endlose Wiederholungen. Jede Begierde tausendmal gelebt, jede Illusion mehr als hundertmal verloren, alle Hoffnung kindisch, alle Unschuld ein Scherz …«
    Er hob den Degen. »Was bleibt, ist der Tod. Und die Suche nach dem perfekten Stoß. Die vollendetste Form, die das Sterben haben kann.«
    Er stieß so plötzlich zu, dass Jacob gegen die Toten stolperte, um dem Degen auszuweichen. Angst. Wie viel konnte man haben? Die Toten, die den Kämpfenden mit leeren Augen zusahen, wussten die Antwort. Fuchs starb bei jedem Straucheln und bei jedem Schnitt, den Troisclerqs Degen Jacob beibrachte. Er spielte mit ihm. Er ließ es Fuchs sehen. Er gab sich Blößen, damit Jacob ihm in die Klinge stolperte, zeichnete ihm mit seinem eigenen Blut Linie für Linie auf die Haut, als wollte er den Tod skizzieren, bevor er ihn in röteren Farben malte. Und die Karaffe füllte sich mit weißer Angst und neuer Lebenszeit für den Blaubart.
    Fuchs hatte Jacob oft kämpfen sehen, doch nie zuvor gegen einen solchen Gegner. Sie begriff nur langsam, dass er Troisclerq ebenbürtig war – und er wollte ihn töten. Fuchs hatte diesen Wunsch noch nie so unverstellt auf Jacobs Gesicht

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