Red Rabbit: Roman
umherwanderten, ihren Geschäften nachgingen. Plötzlich stand Oleg bei Andropow und hörte, was er sagte. Er brachte Gründe vor, warum er das Recht hätte, den Mann zu erschießen. Passen Sie auf die Kinder auf, Juri Wladimirowitsch, warnte Suslow. Ja, seien Sie vorsichtig, pflichtete ihm Breschnew bei. Ustinow langte herüber, um das Visier des Gewehrs zu verstellen. Niemand von ihnen achtete auf Zaitzew, der zwischen ihnen umherging und ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken versuchte.
Aber warum? fragte Zaitzew schließlich. Warum tun Sie das?
Wer ist das? fragte Breschnew, an Andropow gewandt.
Kümmern Sie sich nicht um ihn, knurrte Suslow. Erschießen Sie den Trottel einfach!
Kein Problem, sagte Andropow. Er zielte sorgfältig, und obwohl Zaitzew dabeistand, war er nicht in der Lage einzugreifen. Dann drückte der Vorsitzende ab.
Zaitzew war jetzt wieder unten auf dem Platz. Die erste Kugel traf ein Kind, einen Jungen an der rechten Seite des Geistlichen. Er fiel lautlos zu Boden.
Nicht ihn, Sie Idiot – den Geistlichen! brüllte Michail Suslow wie ein tollwütiger Hund.
Andropow schoss wieder. Diesmal traf er ein kleines blondes Mädchen links von dem Geistlichen. Ihr Kopf löste sich in einer Explosion aus Rot auf. Zaitzew bückte sich, um ihr zu helfen, aber sie sagte, es sei alles in Ordnung. Deshalb wandte er sich von ihr ab und dem Geistlichen zu.
Passen Sie auf!
Worauf soll ich aufpassen, mein junger Genosse? fragte der Geistliche freundlich und drehte sich um. Kommt, Kinder, gehen wir zu Gott.
Andropow feuerte wieder. Diesmal traf er den Geistlichen mitten in die Brust. Es bildete sich ein Blutfleck von der Größe und Farbe einer Rose. Der Geistliche verzog das Gesicht, ging aber mit den lächelnden Kindern im Schlepptau weiter.
Ein neuer Schuss, eine weitere Rose auf der Brust, links von der ersten. Trotzdem ging er mit langsamen Schritten davon.
Sind Sie verletzt? fragte Zaitzew.
Es ist nichts passiert, sagte der Geistliche. Aber warum haben Sie ihn nicht aufgehalten?
Ich habe es doch versucht! sagte Zaitzew.
Der Geistliche blieb stehen und wandte sich ihm zu, sodass er ihm direkt in die Augen blickte. Wirklich?
In diesem Moment traf ihn die dritte Kugel mitten ins Herz.
Wirklich? fragte der Geistliche noch einmal. Jetzt sahen die Kinder Zaitzew an und nicht den Geistlichen.
Oleg fand sich aufrecht im Bett sitzend wieder. Es war kurz vor vier Uhr morgens, so zeigte der Wecker an. Zaitzew schwitzte heftig. Er konnte nur eines tun. Er stand auf und ging ins Bad. Dort urinierte er, dann trank er ein Glas Wasser und tappte in die Küche.
Er setzte sich an die Spüle und zündete sich eine Zigarette an. Bevor er wieder einschlief, wollte er erst einmal vollständig wach sein. Er wollte nicht in diesen Traum zurückkehren.
Draußen vor dem Fenster lag die Stadt vollkommen still, die Straßen waren leer – nicht einmal ein Betrunkener, der nach Hause wankte. Auch das war gut so. Um diese Zeit ging in keinem Wohnblock ein Lift. Es war kein einziges Auto zu sehen, was sich etwas eigenartig ausnahm, aber nicht so ungewöhnlich, wie es in einer Stadt im Westen gewesen wäre.
Die Zigarette erfüllte ihren Zweck. Zaitzew war wach genug, um von neuem einschlafen zu können. Trotzdem wusste er schon jetzt, dass ihn diese Vision nicht mehr loslassen würde. Die meisten Träume verflogen, wie Zigarettenqualm, aber bei diesem würde es anders sein. Da war sich Zaitzew ganz sicher.
10. Kapitel
EIN BLITZ AUS HEITEREM HIMMEL
Er musste über einiges nachdenken. Es war, als hätte sich die Entscheidung selbst getroffen, als hätte eine fremde Macht von seinem Verstand und, durch diesen, von seinem Körper Besitz ergriffen und als wäre er zu einem bloßen Zuschauer degradiert worden. Wie die meisten Russen duschte er nicht, sondern wusch sich nur das Gesicht und rasierte sich nass. Dabei schnitt er sich dreimal. Behoben wurde das Malheur mit Toilettenpapier – zumindest die Symptome, wenn auch nicht die Ursache. Die Bilder aus dem Traum liefen vor seinen Augen ab wie dieser Kriegsfilm im Fernsehen. Das taten sie auch noch beim Frühstück. Den abwesenden Blick, den diese Bilder zur Folge hatten, bemerkte seine Frau zwar, aber sie sprach ihn nicht darauf an. Dann war es auch schon Zeit, zum Dienst zu fahren. Er zog los wie ein Roboter, fand den Weg zur Metro-Station völlig mechanisch. Sein Gehirn war ruhig und extrem aktiv zugleich, so, als hätte er sich plötzlich in zwei separate, aber
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