Red Rabbit: Roman
aus der Chiffrierabteilung mit einem braunen Ordner zu ihm kam.
»Von der Außenstelle in Washington, Genosse Major«, sagte der Mann.
»Danke, Genosse«, antwortete Zaitzew.
Er nahm den braunen Ordner, schlug ihn auf und begann die Nachrichten durchzublättern.
Aha, dachte er, dieser Cassius hat sich wieder gemeldet… ja, weitere politische Informationen. Er kannte weder den richtigen Namen noch das Gesicht, das zu CASSIUS gehörte, aber er musste Assistent eines hochrangigen Parlamentariers sein, möglicherweise sogar eines Senators. Er lieferte hochwertige politische Informationen, die darauf hindeuteten, dass er Zugriff auf nachrichtendienstlich brisantes Material hatte. Es arbeitete also auch ein Mitarbeiter eines hohen amerikanischen Politikers für die Sowjetunion. Da er dafür nicht bezahlt wurde, war er offenbar ein
ideologisch motivierter Agent, und das waren die besten überhaupt.
Zaitzew las die Nachricht durch und durchforstete dann sein Gedächtnis nach dem richtigen Adressaten oben in der Chefetage… Oberst Anatoli Gregorowitsch Fokin in der politischen Abteilung, dessen genaue Adresse lautete: Washington-Schreibtisch, Reihe PR, Erste Abteilung, Erstes Hauptdirektorat, vierter Stock.
Nach dem anstrengenden Frühflug von Sofia nach Moskau war Oberst Ilia Fedorowitsch Bubowoi froh, ein paar Schritte gehen zu können. Um die Maschine zu erreichen, hatte er um drei Uhr in der Frühe aufstehen müssen, und war dann von einem Wagen der Botschaft zum Flughafen gebracht worden. Die Aufforderung, nach Moskau zu fliegen, war von Aleksei Roschdestwenski gekommen, den er schon einige Jahre kannte. Er war so nett gewesen, einen Tag vorher anzurufen und ihm zu versichern, der Grund für die Aufforderung, in die Zentrale zu kommen, seien nicht irgendwelche Beanstandungen. Bubowoi hatte zwar ein reines Gewissen, aber es war dennoch gut, das zu wissen. Beim KGB konnte man nie sicher sein. Es war nicht ungewöhnlich, dass Geheimdienstoffiziere, die in die Zentrale bestellt wurden, so weiche Knie hatten wie Schüler, die der Rektor zu sich zitierte. Jedenfalls war seine Krawatte ordentlich geknotet, und seine guten Schuhe blitzten vor Sauberkeit. Seine Uniform trug er allerdings nicht, da seine Funktion als Agent in Sofia, technisch gesehen, ein Geheimnis war.
Ein uniformierter Unteroffizier der Roten Armee holte ihn am Flugsteig ab und begleitete ihn nach draußen zu einem Wagen – eigentlich war der Unteroffizier vom KGB, aber das brauchte nicht jeder zu wissen. Wer konnte schon sagen, ob nicht vielleicht die CIA oder andere westliche Dienste jemanden am Flughafen postiert hatten? Auf dem Weg zum Wagen kaufte sich Bubowoi an einem Zeitungsstand eine Sovietskiy Sport . Die Fahrt in die Stadt würde 35 Minuten dauern. Die Fußballmannschaft von Sofia hatte erst wenige Tage zuvor Dynamo Moskau 3:2 geschlagen. Der Oberst fragte sich, ob die hiesigen Sportjournalisten die Köpfe des Moskauer Teams fordern würden, in angemessen marxistischer
Rhetorik, versteht sich. Gute Sozialisten gewannen immer, aber wenn ein sozialistisches Team gegen ein anderes verlor, wurde es für die Sportjournalisten etwas schwierig.
Foley saß in der Metro. Er hatte sich an diesem Morgen etwas verspätet. Wegen eines Stromausfalls war sein Wecker nachgegangen, sodass er vom Sonnenlicht geweckt worden war anstatt von dem üblichen metallischen Summton. Wie immer versuchte er sich nicht allzu viel umzusehen, aber er konnte nicht umhin, nach dem Besitzer der Hand Ausschau zu halten, die seine Tasche durchsucht hatte. Aber keins der Gesichter blickte zu ihm zurück. Am Abend, in der U-Bahn um 17:41 Uhr, würde er noch einmal besonders aufmerksam sein, für alle Fälle. Wenn es nur ein Zufall gewesen war, schön und gut, aber die nächsten paar Tage würde er mit derselben U-Bahn fahren, im selben Wagen, möglichst an derselben Stelle. Falls er einen Schatten hatte, würde der sich bestimmt darüber freuen, dass der Tag seiner Zielperson nach einem festen Schema ablief – und nicht so unberechenbar, wie es sonst bei den Amis der Fall war. Er, Foley, würde ein »braver« Amerikaner sein und ihnen zeigen, was sie wollten, und sie würden nichts Ungewöhnliches daran finden. Der Leiter der CIA-Außenstelle in Moskau schüttelte verständnislos den Kopf.
Nachdem er an seiner Haltestelle ausgestiegen war, fuhr er mit dem Lift ans Tageslicht zurück, und dann war es nicht mehr weit zur Botschaft, die gleich gegenüber von Unserer
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