Red Rabbit: Roman
einen Weg zur Metallschiebetür, auf den Bahnsteig hinaus, nach links zum Aufzug, zur Straße und einem strahlend schönen Spätsommertag hinauf, wieder Teil einer Menge, aber einer, die sich zerstreute. Viele steuerten auf den steinernen Bau zu, der die Zentrale beherbergte, durch die Bronzetüren und an der ersten Sicherheitskontrolle vorbei. Zaitzew zeigte dem uniformierten Wachmann seinen Pass. Der Mann verglich sein Gesicht mit dem Foto und warf zum Zeichen dafür, dass er das riesige Bürogebäude betreten durfte, den Kopf nach rechts. Zaitzew zeigte denselben Mangel an Emotion wie an jedem Tag, während er die Steintreppe zum Untergeschoss hinunterstieg und durch eine weitere Sicherheitskontrolle in das Großraumbüro der Nachrichtenabteilung ging.
Die Männer der Nachtschicht machten gerade Schluss. An Zaitzews Schreibtisch saß der Kollege, der von Mitternacht bis acht Uhr Dienst gehabt hatte, Nikolai Konstantinowitsch Dobrik, der vor kurzem wie er, Zaitzew, zum Major befördert worden war.
»Guten Morgen, Oleg«, grüßte Dobrik kameradschaftlich und reckte sich in seinem Drehstuhl.
»Guten Morgen, Kolja. Wie war die Nachtschicht?«
»Eine Menge Verkehr aus Washington. Wieder dieser Irre von einem Präsidenten. Wussten Sie, dass wir der ›Inbegriff des Bösen in der modernen Welt‹ sind?«
»Hat er das gesagt?«, fragte Zaitzew ungläubig.
Dobrik nickte. »Allerdings. Die Agentur in Washington hat uns den Text seiner Rede geschickt – für seine treuen Parteianhänger war es natürlich Wasser auf ihre Mühlen, aber auch so hat das Ganze für einigen Aufruhr gesorgt. Ich schätze, der Botschafter wird deswegen vom Außenministerium Anweisungen erhalten, und das Politbüro wird wahrscheinlich auch etwas dazu zu sagen haben. Aber wenigstens war es eine relativ spannende Schicht!«
»Aber sie haben es doch hoffentlich nicht Buchstabe für Buchstabe verschlüsselt?« Eine komplette Übertragung per Einmal-Block wäre ein Alptraum gewesen.
»Nein, Gott sei Dank war’s ein reiner Maschinenjob«, erwiderte Dobrik. Diese Redewendung war weit verbreitet, selbst in der Zentrale. »Unsere Leute versuchen immer noch, sich einen Reim auf seine Keiferei zu machen. In der politischen Abteilung wird man bestimmt noch stundenlang darüber brüten – nein, eher tagelang, zusammen mit den Psychiatern, schätze ich.«
Zaitzew lachte leise. Das Hin und Her zwischen den Psychos und den Agenten würde sicher unterhaltsam zu lesen sein – und wie es sich für gute Schreibstubenhengste gehörte, lasen sie normalerweise alle unterhaltsamen Nachrichten.
»Da fragt man sich schon, wie solche Männer dazu kommen, ein derart großes Land zu regieren«, bemerkte Dobrik, stand auf und zündete sich eine Zigarette an.
»Die nennen das, glaube ich, einen demokratischen Prozess«, erwiderte Zaitzew.
»Also, wenn das so ist, können wir nur froh sein über den kollektiven Willen des Volkes, wie er sich durch die geliebte Partei Ausdruck verschafft.« Trotz der bewussten Ironie seiner Bemerkung war Dobrik natürlich wie jeder im Raum ein gutes Parteimitglied.
»Allerdings, Kolja. Nun« – Zaitzew sah zur Wanduhr hinüber, er war sechs Minuten zu früh – »ich löse Sie jetzt ab, Genosse Major.«
»Und ich danke Ihnen, Genosse Major.« Dobrik entfernte sich in Richtung Ausgang.
Zaitzew setzte sich auf den Stuhl, der noch warm war von Dobriks Gesäß, und trug sich in den Dienstplan ein. Als Nächstes kippte er den Inhalt des Aschenbechers in den Abfalleimer – was Dobrik immer versäumte – und trat damit einen neuen Arbeitstag im Büro an. Die Ablösung seines Kollegen war reine Routine, aber ein angenehme. Bis auf diese wenigen Momente zu Beginn seines Diensts hatte er mit Dobrik kaum etwas zu tun. Wie sich jemand freiwillig auf Dauer für den Nachtdienst einteilen lassen konnte, war Zaitzew ein Rätsel. Jedenfalls hinterließ Dobrik ihm stets einen leeren Schreibtisch und keinen, auf dem sich unerledigte Arbeit türmte. So blieben Zaitzew ein paar freie Minuten, die er nutzen konnte, um sich auf den neuesten Stand zu bringen und mental auf den Tag einzustimmen.
An diesem Tag brachten diese paar Minuten allerdings nur die Bilder zurück, die ihm, schien es, nicht mehr aus dem Kopf gehen wollten. Und deshalb zündete sich Oleg Iwanowitsch seine erste Dienstzigarette des Tages an und ordnete die Papiere auf dem Metallschreibtisch, während er in Gedanken ganz woanders war. Es war zehn nach acht, als ein Kollege
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