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Red Rabbit: Roman

Red Rabbit: Roman

Titel: Red Rabbit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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INFEKTION?«, sagte Ritter.
    »Wenn dann eine Operation draus wird, könnten wir sie ja EPIDEMIE nennen«, fügte der DDI lachend hinzu.
    Moore grinste. »Nein, ich hab’s. DIE MASKE DES ROTEN TODES. Dieser Titel von Poe würde doch gut passen, wie ich finde.«
    »Worum geht’s eigentlich? Will die Operationsleitung jetzt auch noch den Nachrichtendienst übernehmen?«, fragte Greer laut.
    Die ganze Sache war noch längst nicht spruchreif und kaum mehr als eine interessante Übung, ähnlich den Überlegungen eines Unternehmensvorstandes,
der eine Firmenübernahme plante – und diese Firma dann, wenn es die Umstände erlaubten, in kleine Teile aufbrechen würde. Nein, die Union der sozialistischen Sowjetrepubliken war der Dreh- und Angelpunkt ihrer Berufswelt, das, was für die Boston Red Sox die New York Yankees waren oder umgekehrt. Sie zu besiegen war ihr Traum – und nicht viel mehr als eben nur ein Traum.
    Trotzdem billigte Judge Moore diese und ähnliche Gedankenspiele. Wenn der Wunsch nicht größer war als das Erreichbare, wozu gab es dann den Himmel?
     
    In Moskau war es fast elf Uhr in der Nacht. Andropow rauchte eine Zigarette – eine amerikanische Marlboro – und nippte an seinem Wodka der Marke Starka, ein Spitzenfusel, der so braun war wie amerikanischer Bourbon-Whiskey. Ein weiteres Produkt aus Amerika drehte sich auf dem Plattenteller: Jazz aus New Orleans mit Louis Armstrong an der Trompete. Wie viele andere Russen sah auch der Vorsitzende des KGB in Schwarzen nicht viel mehr als Kannibalen oder Affen. Gleichwohl schätzte er die Musik derer, die aus Amerika stammten, als eigenständige, feinsinnige Form von Kunst. Als russischer Patriot hätte ihm eigentlich vor allem die Musik von Borodin oder anderen russischen Komponisten am Herzen liegen sollen, doch hatte der amerikanische Jazz eine besondere vitalisierende Note an sich, die ihn ganz unmittelbar berührte. Allerdings war ihm die Musik nur eine stimulierende Begleitung zu seinen Gedanken.
    In Andropows Gesicht stachen zwei Merkmale besonders deutlich hervor: buschige Brauen und ein wuchtiger Unterkiefer, der auf eine andere ethnische Herkunft schließen ließ. Doch er war durch und durch Russe, also teils Byzantiner, teils Tatar und Mongole mit all den entsprechend verschiedenen Facetten, die er allerdings samt und sonders auf seine persönlichen Ziele zu fokussieren verstand. Und davon hatte er jede Menge, wobei ihm eines besonders wichtig war: Er wollte an die absolute Spitze der Macht in seinem Land. Es musste gerettet werden, und er glaubte zu wissen, auf welche Weise dies zu geschehen hatte. Einer der Vorzüge seines Amtes als Vorsitzender des Komitees für Staatssicherheit bestand darin, dass es nur wenige Geheimnisse gab, die ihm verschlossen blieben – und das, obwohl in seinem Land nach Strich
und Faden gelogen wurde, ja, die Lüge hier gewissermaßen den Rang hoher Kunst innehatte. Dies galt vor allem für die sowjetische Wirtschaft, die sich nach irgendwelchen Planvorgaben zu richten hatte. Ob diese Vorgaben nun realistisch waren oder nicht, zählte nicht. Ihre Umsetzung wurde erzwungen, wenn auch nicht mehr mit ganz so drakonischen Maßnamen wie einst. Wenn in den dreißiger und vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts der Plan nicht erfüllt wurde, musste häufig unter anderem auch hier in diesem Gebäude jemand dran glauben. Schuld daran waren nämlich »Saboteure«, Staatsfeinde, Verräter, und das waren nach hiesigem Verständnis die schlimmsten aller Verbrecher, die also besonders hart bestraft werden mussten. Für gewöhnlich geschah dies mit einer Kugel Kaliber .44 aus einem der alten Smith & Wesson-Revolver, die noch der letzte Zar aus Amerika hatte einführen lassen.
    Aus diesem Grund waren Bilanzfälschungen an der Tagesordnung. Um das eigene Leben und das ihrer Buchhalter zu schonen, mussten Fabrikdirektoren zusehen, dass sie die hoch gesteckten Erwartungen seitens der politischen Führung zumindest auf dem Papier erfüllten. Die falschen Zahlen verloren sich dann letztlich in jener monströsen Bürokratie, die noch ein Erbe der Zaren war und vom Marxismus-Leninismus um ein Weiteres aufgeblasen wurde. Eben diese Tendenz machte sich nicht zuletzt auch in der eigenen Behörde bemerkbar, wie Andropow sehr wohl wusste. Er versuchte, dagegen vorzugehen, wurde mitunter sogar ziemlich laut, konnte aber nur wenig an Veränderung bewirken. In jüngster Zeit aber zeigten sich kleine Erfolge, denn Juri Wladimirowitsch

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