Red Rabbit: Roman
ihnen.
»Und, Caroline? Wie gefällt Ihnen London?«, fragte Hood freundlich.
»Sehr gut«, antwortete sie, immer noch fassungslos.
»Und Ihren Kindern?«
»Wir haben ein ausgesprochen nettes Kindermädchen, eine junge Südafrikanerin.«
»Das ist sicher viel wert«, bemerkte Phillips zustimmend.
Der Pub lag an der nächsten Ecke in der City Road. Ein Tisch war rasch gefunden. Hood holte sofort eine Zigarette heraus und zündete sie sich an. Er bemerkte Cathys missbilligenden Blick.
»Ich weiß, Mrs Ryan, es ist nicht gesund und gehört sich nicht für einen Arzt, aber haben wir nicht alle auch ein Recht auf eine kleine menschliche Schwäche?«
»Da suchen Sie Beistand von der falschen Seite«, antwortete sie.
»Na schön, dann werde ich den Rauch eben von Ihnen fort blasen.« Hood lachte leise. Der Kellner trat an ihren Tisch. »Welche Biersorte wird hier ausgeschenkt?«, fragte Hood ihn.
Nur gut, dass er rauchte, sagte sich Cathy. So war sie wenigstens schon ein wenig auf den nächsten Schock vorbereitet. Hood und Phillips entschieden sich für ein John Courage, Ellis für ein Tetley’s. Cathy bestellte eine Coca-Cola. Wie in Ärztekreisen üblich, unterhielten sich die drei Männer über Berufliches.
Caroline Ryan ihrerseits ließ sich auf ihrem Holzstuhl zurücksinken und sah den drei Ärzten dabei zu, wie sie Bier tranken und einer dazu auch noch rauchte, während ihr ahnungsloser Patient in OP 3 unter Lachgas vor sich hindämmerte.
»Und? Wie finden Sie es hier bei uns? Anders als im Johns Hopkins?« , fragte Hood, während er seine Zigarette ausdrückte.
Cathy musste schwer schlucken, verkniff sich aber den Kommentar, der ihr auf der Zunge lag. »Also, Chirurgie ist Chirurgie. Mich wundert nur, dass Sie hier so wenig CTs haben. Und was MRTs und PETs angeht, ist die Situation offenbar auch nicht besser. Wie kommen Sie überhaupt noch ohne aus? Zu Hause käme ich bei einem Fall wie dem von Mr Smithson nicht mal auf die Idee, zu schneiden, bevor ich nicht eine Reihe brauchbarer Aufnahmen vom Tumor vorliegen hätte.«
»Sie hat vollkommen Recht, wisst ihr«, erklärte Hood nach kurzem Nachdenken. »Wir hätten die OP von Freund Smithson noch eine Weile aufschieben und uns erst einmal eine genauere Vorstellung vom Ausmaß des Wachstums verschaffen sollen.«
»So lang wollen Sie bei einem Hämangiom warten?«, platzte Cathy heraus. »Bei uns in den Staaten entfernen wir so was sofort.« Sie brauchte nicht hinzuzufügen, dass ein solcher Tumor im Kopf weh tat. Er drückte den Augapfel aus der Höhle, was manchmal zur Folge hatte, dass der Betroffene nur noch verschwommen sehen konnte – das war auch der Grund gewesen, warum Mr Smithson ursprünglich zum Arzt gegangen war. Außerdem hatte er an fürchterlichen Kopfschmerzen gelitten, die ihn halb in den Wahnsinn getrieben haben mussten, bis ihm ein Schmerzmittel auf Kodeinbasis verschrieben worden war.
»Tja, hier läuft das alles etwas anders.«
Das Essen kam. Das Sandwich war okay – besser als das Krankenhausessen, das Cathy gewohnt war –, aber sie konnte noch immer nicht fassen, dass diese Kerle Bier tranken! Englisches Bier war etwa doppelt so stark wie amerikanisches, und sie tranken einen halben Liter davon!
»Ketchup zu den Fritten, Cathy?« Ellis schob ihr die Flasche hin. »Oder sollte ich sagen, Lady Caroline? Wie ich höre, ist Seine Hoheit der Pate Ihres Sohnes?«
»Na ja, gewissermaßen. Er hat sich dazu bereit erklärt – Jack hat ihn im Krankenhaus der Naval Academy ganz spontan gefragt. Seine richtigen Paten sind allerdings Robby und Sissy Jackson. Robby ist Jagdflieger bei der Navy. Sissy ist Konzertpianistin.«
»War das dieser Schwarze in der Zeitung?«
»Richtig. Jack hat ihn kennen gelernt, als sie beide an der Naval Academy unterrichteten. Sie sind sehr eng befreundet.«
»Aha. Die Zeitungsmeldungen haben also gestimmt? Immerhin …«
»Ich will lieber gar nicht daran denken. Das einzig Gute, was in jener Nacht passiert ist, war, dass der kleine Jack zur Welt kam.«
»Das kann ich gut verstehen, Cathy«, erwiderte Ellis mit vollem Mund. »Wenn die Zeitungsmeldungen zutreffen, muss es eine grauenvolle Nacht gewesen sein.«
»Allerdings.« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Die Wehen und die Entbindung waren noch das Harmloseste.«
Letztere Bemerkung zog ein lautes Lachen der drei Engländer nach sich. Alle hatten Kinder, und alle waren bei der jeweiligen Entbindung dabei gewesen.
Eine halbe Stunde später
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