Red Rabbit: Roman
niederzustoßen und sich am Kadaver zu laben.
Allerdings war der KGB gefährlicher als ein Geier. Ein Geier jagte nicht aktiv. Ed Foley hingegen konnte nie sicher sein, ob er beschattet wurde, wenn er in Moskau unterwegs war. Womöglich war es ein solcher Schatten, den er da entdeckt hatte, ein ungeschickter – oder besonders gerissener – Mann, der auf ihn angesetzt
war, um zu sehen, wie er reagieren würde. Alle Agenten wurden in Bezug auf Observierung und Gegenobservierung ausgebildet, und die Methoden waren nicht nur auf der ganzen Welt die gleichen, sondern wurden umgekehrt auch überall als solche wieder erkannt, weshalb Foley sie nie einsetzte. Niemals. Kein einziges Mal. Bei diesem Spiel clever zu sein war zu gefährlich, weil man nie clever genug sein konnte. Es gab andere Gegenmaßnahmen, auf die man, wenn nötig, zurückgreifen konnte. Da war zum Beispiel die vorher geplante enpassant -Übergabe, die jeder Spion auf der Welt kannte, die aber trotzdem sehr schwer zu erkennen war, und zwar gerade, weil sie so simpel war. Nein, wenn aus einem solchen Manöver nichts wurde, dann in der Regel deshalb, weil es der potenzielle Informant mit der Angst zu tun bekam. Es war wesentlich schwieriger und gefährlicher, als freischaffender Informant für einen Geheimdienst zu arbeiten statt als regulärer, fest besoldeter Agent im Außeneinsatz. Foley war als Diplomat getarnt. Auch wenn die Russen im Besitz von Filmaufnahmen gewesen wären, die ihn aufs Peinlichste kompromittieren würden, konnten sie doch nichts gegen ihn unternehmen. Er war offiziell Diplomat und als solcher durch die Wiener Konvention geschützt, die seine Person unantastbar machte – selbst in Kriegszeiten, obwohl es dann meist ein bisschen problematischer zuging. Aber darüber brauchte er sich keine Gedanken zu machen, fand Foley. Denn in diesem Fall wäre er, wie alle anderen in Moskau, längst aufgeflogen und deshalb nicht allein in dem Jenseits, in das Spione kamen.
Er riss seine Gedanken von diesen Belanglosigkeiten los, so unterhaltsam sie auch sein mochten. Letztlich lief es darauf hinaus, ob sein Freund Iwan den nächsten Schritt machen würde oder ob er sich wieder ins Dunkel zurückzog, voller Genugtuung darüber, dass es ihm gelungen war, die amerikanische Botschaft an einem kühlen Moskauer Morgen nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Um das herauszufinden, musste man die Karten aufdecken. Ob es wohl Blackjack war – oder nur ein Paar Vieren?
Deshalb bist du doch in dieses Geschäft eingestiegen, Ed, rief sich Foley in Erinnerung – wegen des Kitzels der Jagd. Und dieser Kitzel war in der Tat unvergleichlich, selbst wenn das Wild wieder im Dunst des Waldes verschwand. Doch den Bären am Ende zu häuten machte natürlich mehr Spaß, als ihn bloß zu wittern.
Warum tat dieser Kerl das? Aus Geldgier? Aus ideologischen Gründen? Gewissen? Geltungssucht? Das waren die klassischen Gründe. Manche Spione wollten nur das Marmeladenglas voller Hunderter besitzen. Manche begannen an das politische System einer fremden Nation zu glauben, der sie dann mit der religiösen Inbrunst frisch Bekehrter dienten. Manche bekamen Bedenken, weil ihr Vaterland etwas tat, was sie nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten. Manche glaubten lediglich, mehr drauf zu haben als ihre Vorgesetzten, und sahen darin eine Möglichkeit, es diesen blöden Säcken heimzuzahlen.
Die Geschichte lehrte, dass ideologisch motivierte Spione die produktivsten waren. Diese Menschen setzten ihr Leben für ihre Überzeugungen aufs Spiel – weshalb auch Religionskriege so blutig waren. Foley hingegen mochte die, die es wegen des Geldes machten, lieber. Sie verhielten sich immer rational, und sie gingen nur deshalb Risiken ein, weil die Belohnung umso höher war. Von Geltungssucht besessene Agenten waren empfindlich und schwierig. Rache war generell ein schlechtes Motiv, und wer sie übte, war meistens unzuverlässig. Gewissensgründe akzeptierte Ed fast ebenso gern wie ideologische. Zumindest hatten diese Leute so etwas wie Prinzipien. Tatsache war dennoch, dass die CIA ihre Agenten gut bezahlte, und sei es auch nur aus Gründen der Fairness. Außerdem konnte es nicht schaden, wenn sich das herumsprach. Zu wissen, dass man reichlich entschädigt werden würde, war ein enormer Anreiz für all jene, die sich nicht recht entscheiden konnten. Ganz unabhängig von den Beweggründen – es war nie schlecht, gut bezahlt zu werden. Auch die ideologisch Motivierten mussten
Weitere Kostenlose Bücher