Red Rabbit: Roman
Gebet an, dass sie noch rechtzeitig gekommen sein mochten, gefolgt von der grausigen Feststellung, dass dem nicht so war. Er rannte durch das Schlafzimmer, schlug mit seiner Stahlaxt die Fenster ein, damit der Rauch abziehen konnte, und drehte sich dann um. Was er sah, hatte er schon dreißig Mal oder noch öfter gesehen – eine menschliche Gestalt, im Rauch kaum auszumachen, die sich nicht mehr bewegte. Inzwischen waren zwei seiner Kollegen eingetroffen, und gemeinsam schleppten sie Owen Williams in den Flur hinaus.
»Scheiße!«, sagte einer von ihnen. Der Notarzt des Rettungsdienstes legte eine Sauerstoffmaske auf das leichenblasse Gesicht und schaltete den Apparat ein, damit reiner Sauerstoff in die Lungen gepumpt wurde. Ein anderer Mann versuchte durch regelmäßiges Zusammendrücken des Brustkorbes mit beiden Händen das Herz wieder zum Schlagen zu bringen, während hinter ihnen ein Mann vom Löschtrupp einen siebeneinhalb Zentimeter breiten Schlauch in die Wohnung zog und begann, den Schwelbrand zu löschen.
Das Ganze lief ab wie eine Bilderbuch-Übung. Das Feuer war in weniger als drei Minuten gelöscht. Kurz darauf hatte sich der Rauch weitgehend verzogen, und die Feuerwehrmänner nahmen ihre Atemschutzmasken ab. Doch draußen im Flur gab Owen Williams immer noch keinerlei Lebenszeichen von sich. In der Regel galt niemand als tot, bis ein Arzt ihn für tot erklärt hatte, und so trugen die Männer das große, schwere, leblose Bündel zu dem weißen Rettungswagen, der draußen auf der Straße stand. Die Rettungssanitäter hatten ihren eigenen Routineablauf bei einem Notfall, und auch dieser ging reibungslos vonstatten: Erst wurde der Körper auf eine Trage gelegt, dann überprüfte man die Pupillen und anschließend die Atemwege – die frei waren –, und danach versuchte man mit dem Beatmungsgerät mehr Sauerstoff in das Opfer hineinzupumpen und sein Herz durch noch mehr Herzdruckmassage zum Schlagen zu bringen. Die oberflächlichen Verbrennungen mussten warten. Am vordringlichsten war, Herz und Lungen wiederzubeleben, während der Fahrer bereits durch die dunklen Straßen zum Queen Victoria Hospital raste, das nur einen Kilometer entfernt lag.
Aber als sie dort ankamen, war den Rettungssanitätern und dem Notarzt im hinteren Teil des Wagens bereits klar, dass sie mit den Reanimationsmaßnahmen bloß Zeit verschwendeten. In der Notaufnahme wurden sie schon erwartet. Der Fahrer wendete und fuhr rückwärts an die Rampe, die hinteren Türen wurden geöffnet und die Trage hinausgerollt, während ein junger Arzt den Patienten musterte, ihn jedoch noch nicht berührte.
»Rauch eingeatmet«, berichtete der Rettungsarzt der Feuerwehr, als er durch die Schwingtür ging. »Schwere Kohlenmonoxidvergiftung.« Die ausgedehnten, aber hauptsächlich oberflächlichen Verbrennungen konnten für den Moment warten.
»Wie lange?«, fragte der diensthabende Notarzt sofort.
»Keine Ahnung. Es sieht nicht gut aus, Doktor. Kohlenmonoxidvergiftung, Pupillen starr und erweitert, rote Fingernägel, bisher keine Reaktion auf Herzdruckmassage oder Sauerstoffgabe«, berichtete der Rettungsarzt.
Die Ärzte ließen nichts unversucht – schließlich lässt man einen Mann Anfang dreißig nicht einfach sterben. Doch eine Stunde später stand fest, dass Owen Williams seine blauen Augen nie wieder öffnen würde, und so wurden auf die Entscheidung des Arztes hin alle Wiederbelebungsversuche eingestellt und ein Todeszeitpunkt bestimmt, den man in den Totenschein eintrug. Natürlich waren auch Polizisten anwesend. Sie plauderten die meiste Zeit mit den Feuerwehrleuten, bis die genaue Todesursache feststand. Dazu wurde das Blut untersucht. Fünfzehn Minuten später berichtete das Labor, dass die Kohlenmonoxidmenge im Blut bei 39 Prozent lag, also schon weit im tödlichen Bereich. Williams war bereits tot gewesen, bevor die Feuerwehrmänner von ihren Pritschen sprangen. Und das war’s dann.
Alles Weitere fiel in den Zuständigkeitsbereich der Polizei. Ein Mann war gestorben, und das musste auf besondere Anweisung von oben in der Befehlskette weitergeleitet werden.
Diese Befehlskette endete in London in einem Gebäude aus Stahl und Glas, nämlich im New Scotland Yard, dessen Bezeichnung insbesondere Touristen annehmen ließ, dass die Londoner Polizeibehörde seit eh und je Scotland Yard hieß, was aber ursprünglich nur der Name der Straße gewesen war, an dem das alte Hauptquartier gelegen hatte. Wie auch immer, an einem
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