Red Rabbit: Roman
verabschiedete sich Moore.
FBI-Direktor Jacobs legte den Hörer auf und fragte sich, was so verdammt wichtig sein konnte, dass man das Federal Bureau of Investigation bat, sich als Grabräuber zu betätigen.
Auf dem Heimweg in der Metro, nachdem er seiner kleinen zaichik einen weißen, mit roten und grünen Blumen bedruckten Parka gekauft hatte, dachte Zaitzew darüber nach, wie er vorgehen sollte. Wann sollte er Irina von der kurzfristig arrangierten Reise erzählen? Wenn er sie ihr als Überraschung präsentierte, würde Irina sich Sorgen um ihren Job im GUM machen, obwohl es im Büro, wie sie sagte, so locker zuging, dass es kaum jemand merken würde, wenn sie fehlte. Aber wenn er sie vorwarnte, gab es ein anderes Problem – sie würde nämlich, wie jede Ehefrau auf der Welt, versuchen, alles bis ins kleinste Detail zu planen, da er ihrer Meinung nach dazu nicht imstande war. Was unter den gegebenen Umständen eher amüsant schien, dachte Oleg Iwan’tsch.
Unter diesem Gesichtspunkt wollte er ihr vorher lieber nichts sagen, sondern ihr die Reise als Überraschungsgeschenk verkaufen und diesen ungarischen Dirigenten als Vorwand dafür nennen. Die eigentliche Überraschung würde sie dann in Budapest erwarten. Er fragte sich, wie sie wohl auf diese Neuigkeit reagierte. Vielleicht nicht sonderlich positiv, aber letzten Endes war sie eine russische Ehefrau, dazu erzogen, ihrem Mann zu gehorchen und seinen Anweisungen zu folgen.
Swetlana liebte es, mit der Metro zu fahren. Das war bei allen kleinen Kindern so, wie Oleg herausgefunden hatte. Für sie war alles ein Abenteuer, und sie bestaunten alles mit ihren großen Kinderaugen, selbst so etwas Triviales wie Metrofahren. Swetlana hüpfte durch die Gegend wie ein junger Hund – oder wie ein Hase –, dachte ihr Vater und lächelte auf sie hinab. Würde seine kleine zaichik im Westen noch schönere Abenteuer erleben?
Vermutlich schon… wenn ich es schaffe, sie lebend dorthin zu bringen, dachte Zaitzew besorgt. Die Sache war gefährlich, aber merkwürdigerweise hatte er keine Angst um sich selbst, sondern nur um seine Tochter. Das war schon seltsam. Oder doch nicht? Er wusste, dass ihm eine Mission auferlegt war und dass er diese erfüllen musste, sonst nichts. Und dafür musste er eine Reihe notwendiger Schritte unternehmen, aber am Ende des Weges erstrahlte ein helles Licht. Es war schon merkwürdig, aber dieses Licht war immer heller geworden, seit ihm zum ersten Mal Zweifel an Operation 666 gekommen waren, und mittlerweile erfüllte es sein ganzes Denken und Tun. Er fühlte sich wie eine Motte, die, vom Licht
angezogen, immer engere Kreise drehte, und er konnte nur hoffen, dass dieses Licht keine Flamme war, die ihn letzten Endes verbrennen würde.
»Wir sind da, Papa!«, rief Swetlana, als sie ihre Haltestelle erkannt hatte. Sie nahm ihn bei der Hand und zog ihn hinter sich her zu den Schiebetüren. Eine Minute später hüpfte sie, auch hiervon ganz begeistert, auf die Rolltreppe. Seine Tochter war wie ein Amerikaner – oder jedenfalls so, wie sich Russen einen vorstellten. Sie sah immer nur die neuen Dinge und den Spaß, den man haben konnte, nicht die Gefahren, die ein vorsichtiger und nüchtern denkender Russe überall vermutete. Aber wenn die Amerikaner wirklich so dumm waren, warum versuchten die Russen ihnen dann ständig – vergeblich – nachzueifern? War Amerika wirklich auf dem richtigen Weg und die Sowjetunion auf dem falschen? Das war eine Frage, über die er noch nicht gründlich nachgedacht hatte. Über Amerika wusste er nur das, was ihn die Propaganda im Fernsehen und in den offiziellen, staatlichen Zeitungen glauben machen wollte. Er ahnte, dass dieses Bild nicht stimmen konnte, aber er verfügte nicht über genügend neutrale Informationen, um sich selbst ein korrektes Bild machen zu können. Deshalb basierte der große Schritt, den er zu wagen bereit war – sein Überlaufen in den Westen – im Wesentlichen auf Vertrauen. Wenn sein Land Unrecht hatte, dann musste die andere Supermacht Recht haben. Es war ein großer und gefährlicher Schritt, dachte er, während er mit seiner Tochter an der Hand den Gehsteig entlangging, und er täte besser daran, etwas mehr Angst davor zu haben.
Doch es war zu spät, um Angst zu verspüren, und einen Rückzieher zu machen wäre für ihn genauso gefährlich wie weiterzumachen. Denn im Prinzip ging es nur um die Frage, wer oder was ihn letztendlich zerstören würde – sein Land oder er
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