Red Rabbit: Roman
KH-7- und anderen Chiffriermaschinen zu überprüfen, aber Fort Meade verfügte über eine sehr aktive Russlandabteilung, deren alleinige Aufgabe darin bestand, ihre eigenen Codes zu knacken. Und so clever russische Mathematiker auch sein mochten, sie waren noch lange keine Übermenschen … es sei denn, sie hatten einen weit oben sitzenden Informanten in Ford Meade, und das war eine Befürchtung, die jeder hegte. Wie viel würde der KGB für solche Informationen zahlen? Wahrscheinlich Millionen. Doch über so viel Geld zur Bezahlung seiner Informanten verfügte er gar
nicht, und abgesehen davon, dass er knauserig war, verhielt sich der KGB gegenüber seinen Leuten auch äußerst illoyal und vertrat die Ansicht, jeder sei ersetzbar. Sicher, sie hatten Kim Philby zu sich geholt und hielten ihn in Moskau gut versteckt. Dennoch wussten die westlichen Geheimdienste, wo er lebte, und hatten das übergelaufene Miststück schon fotografiert. Sie wussten sogar, wie viel er trank – eine Menge, selbst nach russischen Maßstäben. Aber wenn ein russischer Agent gefangen genommen wurde, hatten sie dann schon jemals versucht, ihn auszutauschen, einen Handel vorgeschlagen? Nein, nicht seit die CIA Francis Gary Powers, den unglückseligen U-2-Piloten, der 1961 abgeschossen worden war, gegen Rudolf Abel ausgetauscht hatte. Aber Abel war einer ihrer eigenen Agenten gewesen, ein Oberst, und ein ziemlich guter dazu, der in New York operierte. Das musste jeden gebürtigen Amerikaner in der Geheimdienstbranche abschrecken, der sich der Illusion hingab, auf Kosten von Mütterchen Russland reich zu werden. Und Verräter hatten in den staatlichen Gefängnissen nichts zu lachen, was an sich schon Grund genug war, keine krummen Sachen zu drehen.
Dennoch gab es Verräter, aus welch seltsamen Beweggründen auch immer sie zu solchen wurden. Allerdings gab es kaum noch welche, die aus ideologischen Gründen ihr Land verrieten. Diese waren die effizientesten und hingebungsvollsten Agenten gewesen, damals, als die Menschen noch ernsthaft daran glaubten, dass der Kommunismus den Höhepunkt in der Evolution des Menschen markierte. Doch selbst die Russen glaubten heute nicht mehr an den Marxismus-Leninismus, mit Ausnahme von Suslow – der schon fast tot war – und seinem künftigen Nachfolger Alexandrow. Also liefen KGB-Agenten fast ausschließlich aus Geldgier in den Westen über, nicht weil sie für die Freiheit kämpften wie jene Agenten, die für ihn, Ed Foley, in Moskau arbeiteten. Das war eine Illusion, an der alle CIA-Agenten festhielten, selbst seine Frau.
Und Rabbit? Er war über etwas äußerst empört und aufgebracht. Es ginge um ein Mordkomplott, behauptete er, ein Attentat. Etwas, das einen rechtschaffenen und anständigen Mann in Rage brachte. Rabbit hatte also ein ehrbares Motiv und war es deshalb wert, dass ihm die CIA Aufmerksamkeit schenkte und sich um ihn kümmerte.
Gott, dachte Ed Foley, welchen Illusionen man sich in dieser
elenden Branche doch hingab! Für die idealistischen, verwirrten, wütenden oder einfach nur geldgierigen Individuen, die beschlossen, ihr Land zu verraten, musste man alles in einem sein – Psychiater, liebevolle Mutter, Zuchtmeister, guter Freund und Beichtvater. Einige von ihnen tranken zu viel, andere waren so wütend, dass sie allzu viel riskierten und sich selbst in Gefahr brachten. Und wieder andere waren völlig verrückt, geistesgestört, durchgeknallt. Einige entwickelten sexuelle Abartigkeiten – Himmel, manche fingen ganz harmlos an und wurden dann richtig pervers. Aber Ed Foley musste für sie alle den Sozialarbeiter spielen – eine merkwürdige Jobdefinition für jemanden, der sich vorgenommen hatte, den großen, hässlichen Bären zu bekämpfen. Nun, ermahnte er sich, eins nach dem anderen. Er hatte bewusst diesen Beruf ergriffen, der kaum angemessen bezahlt und in dem gute Arbeit nur selten gelobt wurde und in dem man keine Anerkennung erwarten durfte für die körperlichen wie psychischen Gefahren, die mit ihm einhergingen. Zu allem Überfluss wurden er und seine Kollegen von den Medien aufs Ungerechteste behandelt, ohne dass ihm die Möglichkeit gegeben war, sich zu verteidigen und das Zerrbild zu korrigieren. Was für ein Scheißleben!
Aber seine Arbeit hatte auch ihre guten und befriedigenden Seiten, zum Beispiel wenn es ihnen wie jetzt gelang, dieses Rabbit lebend aus dem Ostblock rauszubringen.
Wenn BEATRIX klappte.
Foley sagte sich, dass er jetzt wieder einmal spüren
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