Red Rabbit: Roman
rutscht, und wenn die Suppe dann kocht, gibt’s ein großes Aufschreien. Die Polen haben den Kommunismus nie akzeptiert. Man stelle sich vor: In ihrer Armee gibt’s tatsächlich Kapläne. Viele Bauern arbeiten auf eigene Rechnung und verkaufen ihre Erzeugnisse in freien Marktnischen. Die beliebteste Fernsehserie ist Kojak . Deshalb wird sie sonntags morgens gebracht, um die Leute von der Kirche wegzuhalten. Wodurch zweierlei deutlich wird: Zum einen steht hoch im Kurs, was aus Amerika kommt, zum anderen hat die Regierung nach wie vor Angst vor der katholischen Kirche. Die polnische Regierung ist instabil, was ihr auch bewusst zu sein scheint. Dass sie dem Volk kleine Freiheiten einräumt, ist durchaus klug, doch auf lange Sicht wird das kaum reichen. Es wird ihr nicht gelingen, ein Unrechtsregime – und das ist es letztlich – aufrechtzuerhalten. Mag es nach außen hin noch so stark erscheinen, es ist zum Scheitern verurteilt.«
Charleston nickte. »Ich habe vor drei Tagen mit der Premierministerin darüber gesprochen und ganz ähnliche Worte gewählt.«
Der DG dachte einen Augenblick lang nach und schien sich dann zu einer Entscheidung durchgerungen zu haben. Er langte nach einem Ordner, der auf einem Aktenstapel auf seinem Schreibtisch lag, und reichte ihn Jack zur Einsicht.
Auf dem Deckel stand der Vermerk STRENG GEHEIM. Jetzt geht’s also los, dachte Jack. Vermutlich hatte Basil durch einen beherzten Sprung in die Themse schwimmen gelernt, was ihn nun annehmen ließ, dass diese Methode auch auf andere zu übertragen sei.
Jack öffnete den Deckel und sah, dass die in dieser Akte enthaltenen Informationen von einer Quelle mit dem Decknamen ZAUN-KÖNIG stammten. Dahinter verbarg sich offenbar ein polnischer Staatsbürger. Der Bericht war sehr ordentlich verfasst, und was er zum Ausdruck brachte …
»Verdammt«, platzte es aus Ryan heraus. »Ist das verlässlich?«
»Allerdings. In der Bewertung steht zweimal die Fünf.« Dies bedeutete, dass sowohl der Quelle als auch der Information, die durch sie übermittelt worden war, jeweils der höchste Wert auf der Verlässlichkeitsskala zuerkannt wurde. »Sie sind doch Katholik, nicht wahr?« Natürlich wusste Charleston Bescheid.
»In der Highschool, am Boston College und in Georgetown bin ich von Jesuiten unterrichtet worden, nicht zu vergessen die Nonnen von Saint Matthew’s. Bei solchen Lehrern ist es ratsam, katholisch zu sein.«
»Was halten Sie von Ihrem gegenwärtig amtierenden Papst?«
»Seit mindestens vier Jahrhunderten endlich wieder einer, der nicht aus Italien stammt. Und das will einiges besagen. Als ich hörte, dass der neue Papst ein Pole ist, dachte ich spontan an Kardinal Wiszynski aus Warschau – der Mann ist außerordentlich gescheit und gerissen wie ein Fuchs. Aber der war’s dann doch nicht, sondern einer, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. Dann habe ich einiges über ihn gelesen und erfahren, dass er ein guter Seelsorger ist, erfahren auch in Verwaltungsangelegenheiten, dass er mit seinen politischen Überzeugungen nicht hinterm Berg hält…« Ryan stockte. Er fand es plötzlich ganz und gar unangemessen, dass er sich über das Oberhaupt der katholischen Kirche wie über irgendeinen Politiker äußerte. Schließlich war hier von einem Mann die Rede, der nach katholischer Lehre die oberste, unfehlbare Gewalt in Sachen des Glaubens innehatte, ein Mann, der von den
höchsten Würdenträgern jener Kirche gewählt worden war, der auch er, Ryan, angehörte. Dieser Mann verstand sich als Kontaktperson zwischen Gott und den Menschen. Er ließ sich durch niemanden einschüchtern, durch nichts abbringen von dem, was er für richtig hielt.
»Wenn er diesen Brief geschrieben hat, Sir Basil, ist auszuschließen, dass es sich um einen Bluff handeln könnte. Wann wurde der Brief zugestellt?«
»Vor weniger als vier Tagen. Um keine Zeit zu verlieren, hat unser Bote gegen Regeln verstoßen, was ihm aber wohl zu verzeihen ist, denn die Bedeutung des Dokuments steht wohl außer Frage, oder?«
Willkommen in London, dachte Ryan. Er wähnte sich in den großen Kessel getunkt, in dem in der Bildsprache von Cartoons Missionare gar gekocht wurden.
»Und er ist tatsächlich nach Moskau weitergeleitet worden?«
»Das bestätigt uns unser Mann. Nun, was meinen Sie, Sir John, wie wird der Iwan darauf reagieren?«, fragte Sir Basil Charleston und packte Jack bei seinem Ehrgeiz als Analyst.
»Das lässt sich so einfach nicht beantworten«,
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