Red Rabbit: Roman
Ryan schlug die Zeitung auf – es war die Times – und entspannte sich, während er sich wieder mit der Welt vertraut machte. In etwa einer Stunde wollte er Cathy anrufen. Mit etwas Glück würde er sie schon bald wiedersehen. In einer vollkommenen Welt hätte ihm jetzt eine amerikanische Zeitung, vielleicht sogar ein Exemplar der International Tribune, zur Verfügung gestanden, aber die Welt war eben noch nicht vollkommen. Es hatte keinen Sinn zu fragen, wie es um die Baseball-Play-Offs stand. Auf welchem Platz würden wohl die Phillies in diesem Jahr landen?
»Wie war die Reise, Jack?«, fragte Kingshot.
»Alan, diese Einsatzleute sind ihr Geld wert, Penny für Penny. Wie Sie allerdings mit dieser ständigen Anspannung zurechtkommen, ist mir ein Rätsel.«
»Man gewöhnt sich an alles, Jack. Ihre Frau ist doch Chirurgin. Die Vorstellung, Leute mit dem Messer aufzuschlitzen, reizt mich zum Beispiel überhaupt nicht.«
Jack lachte hart auf. »Mich auch nicht, mein Freund. Sie hat zudem mit Augäpfeln zu tun.«
Kingshot schauderte, aber Ryan dachte, dass die Arbeit in Moskau, die Führung des Agentenstabes – und wahrscheinlich auch die Organisation von Rettungsmissionen wie die für Rabbit – auch nicht viel entspannender war als eine Herztransplantation.
»Ah, Mr Somerset«, erklang Mrs Thompsons Stimme, »guten Morgen und willkommen.«
»Spasiba« , erwiderte Oleg Iwan’tsch verschlafen. Kinder konnten einen zu den unmöglichsten Uhrzeiten wecken, aber trotzdem ein Lächeln dabei aufsetzen und sich von der besten Seite zeigen. »Ist das mein neuer Name?«
»Vorläufig ja. Später werden wir uns um eine dauerhafte Lösung kümmern«, erklärte Ryan. »Nochmals: Willkommen.«
»Sind wir in England?«, fragte Rabbit.
»Wir sind knapp acht Kilometer von Manchester entfernt«, entgegnete der britische Geheimdienstagent. »Guten Morgen. Falls Sie sich nicht erinnern: Mein Name ist Alan Kingshot. Das ist Mrs Emma Thompson, und in ein paar Minuten ist auch Nick wieder zurück.«
Man schüttelte sich die Hände.
»Meine Frau ist auch bald hier. Sie kümmert sich um zaichik «, erklärte der Russe.
»Wie fühlen Sie sich?«, fragte Kingshot.
»Lange Reise, große Angst – aber jetzt bin ich in Sicherheit, oder?«
»Ja, Sie sind hier vollkommen sicher«, bestätigte Kingshot.
»Was möchten Sie denn zum Frühstück?«, fragte Mrs Thompson.
»Probieren Sie das hier«, schlug Jack vor und deutete auf seinen Teller. »Es schmeckt toll.«
»Ja, gern. Wie heißt das?«
»Eggs Benedict« , erklärte Jack. »Mrs Thompson, diese Sauce Hollandaise ist einfach großartig. Meine Frau möchte bestimmt das Rezept, wenn ich so aufdringlich sein darf.« Vielleicht kann Cathy Mrs Thompson ja beibringen, wie man anständigen Kaffee kocht. Das wäre immerhin ein ausgewogener Handel, fügte Ryan in Gedanken hinzu.
»Aber gern, Sir John«, entgegnete Mrs Thompson mit einem strahlenden Lächeln. Keine Frau auf der ganzen Welt konnte einem Lob ihrer Kochkünste widerstehen.
»Für mich also dasselbe«, entschied Zaitzew.
»Tee oder Kaffee dazu?«
»Haben Sie denn englischen Frühstückstee?«
»Aber selbstverständlich.«
»Dann gern einen Tee.«
»Sofort.« Damit verschwand Mrs Thompson wieder in der Küche.
Zaitzew hatte es immer noch nicht leicht. Da befand er sich nun im Frühstückszimmer eines Landhauses, das dem Spross eines alten Adelsgeschlechts würdig gewesen wäre, umgeben von einer Rasenfläche wie auf exklusiven Golfplätzen, mit gewaltigen Eichen, die vor mindestens zweihundert Jahren gepflanzt worden waren, einem Kutschenhaus und Ställen im Hintergrund. Zaitzew dachte bei diesem Anblick zuerst an Peter den Großen, an Dinge, die in Büchern oder in Museen standen – und nun war er hier der willkommene Gast?
»Schönes Haus, nicht wahr?«, fragte Ryan und kratzte den letzten Rest Eier zusammen.
»Unglaublich«, entgegnete Zaitzew und ließ den Blick schweifen.
»Ursprünglich gehörte es einer Grafenfamilie. Vor hundert Jahren kaufte ein Textilfabrikant das Haus, aber die Geschäfte liefen nicht besonders gut. Letztes Jahr hat es dann die Regierung erworben. Wir benutzen es jetzt für Konferenzen und als sicheren Unterschlupf. Die Heizungsanlage ist etwas veraltet«, berichtete Kingshot, »aber im Augenblick ist das kein Problem. Wir hatten einen schönen Sommer, und so wird, wie’s aussieht, auch der Herbst sein.«
»Bei uns in Amerika gäbe es in der Nähe einen Golfplatz«, sagte
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